Eine Gaspreisbremse zum Schutz der Verbraucher*innen einführen – auf Bundesebene oder im Land Bremen

Die Energiepreise steigen immer weiter. Am stärksten betroffen sind die Haushalte, die mit Gas heizen. Im Land Bremen sind das 62,4 Prozent aller Haushalte.

Haushalte werden enorm belastet

Die Preiserhöhungen treffen die Verbraucher*innen mit Verzögerung, weil die Stadtwerke längerfristige Lieferverträge haben. Die swb hat den Gaspreis für Haushalte zum 1.Juli 2022 bereits um 20 Prozent erhöht, von 7 Cent auf 8,3 Cent pro Kilowattstunde (kWh).
Ein Mehrpersonenhaushalt mit 18.000 kWh Gasverbrauch im Jahr zahlt damit 234 Euro mehr im Jahr, im Vergleich zum Vorjahr ca. 470 Euro mehr. Durch die von der Bundesregierung eingeführte Gasumlage kommen nochmal ca. 470 Euro im Jahr drauf (2,4 Cent pro kWh plus MwSt.) Für 2023 rechnet die swb damit, dass die Preise erneut um 30 Prozent ansteigen. Das wären weitere 450 Euro mehr im Jahr.
Wie sollen Haushalte mit schmalem Einkommen das schaffen? Haushalte können sich nicht kurzfristig aussuchen, womit sie heizen und Warmwasser erzeugen. Miethaushalte sowieso nicht. Gegen solche Kostenexplosionen kann man nicht ansparen – Haushalte müssten ihren Verbrauch auf ein Drittel senken, um die Preissteigerung auszugleichen. Das funktioniert nicht.

Was die Bundesregierung bislang macht, reicht nicht

Die von der Bundesregierung bislang beschlossenen Entlastungen reichen in keiner Weise aus. Sie kommen spät, sind teilweise mit bürokratischen Hürden und zusätzlichen Wartezeiten verbunden (Wohngeld), lassen ganze soziale Gruppen aus (Rentner*innen, Studierende) und reichen einfach nicht.

Die Zahlen sprechen für sich: Die Bundesregierung hat den Umfang ihrer beiden Entlastungspakete selbst mit 30 Milliarden Euro angegeben. Mit der Gasumlage werden für 34 Milliarden die Gasimporteure (Uniper, Wingas, VNG usw.) gerettet. Anders als in der Finanzkrise oder der Corona-Krise springt aber nicht der Staat ein (im Gegenzug zu staatlicher Beteiligung), sondern die Gaskund*innen – Haushalte und Unternehmen, die wiederum ihre Kosten über die Preise an die Verbraucher*innen weiterreichen werden.

Ein Gaspreisdeckel ist die richtige Lösung

Andere Länder machen es anders. 9 von 27 EU-Ländern (Frankreich, Spanien, Portugal, Belgien usw.) haben einen Gaspreisdeckel eingeführt. Der Staat legt eine Obergrenze für den Gaspreis fest, den private Haushalte zu zahlen haben. Das kann ein fester Betrag sein, wie viel die kWh maximal kosten darf. Oder es kann eine Begrenzung der prozentualen Preiserhöhung sein. In jedem Fall geht es nur um den Preis, den die privaten Haushalte zu zahlen haben – für Gewerbe und Industrie gilt der Gaspreisdeckel nicht. Daher gibt es auch keine Probleme mit dem europäischen Beihilferecht.
Für Deutschland macht nur die Variante mit einer Deckelung der Preiserhöhung Sinn, weil die Gaspreise regional höchst unterschiedlich sind. Würde der Gaspreis z.B. bundesweit einheitlich auf 14 Cent gedeckelt, hätten die Verbraucher*innen in Bremen davon überhaupt nichts. Auch sie müssen aber vor Preiserhöhungen geschützt werden – schließlich verdienen sie auch weniger als im Bundesdurchschnitt.
Staatliche Preiskontrolle ist nichts Ungewöhnliches. Bis 2007 gab es in Deutschland z.B. die staatliche Preisaufsicht für Strompreise. Auch die Post muss sich ihre Preiserhöhungen fürs Briefporto bis heute staatlich genehmigen lassen. Letztlich muss der Staat das Geld, das den Versorgern durch einen Preisdeckel fehlt (sie müssen ja Gas trotzdem immer teurer einkaufen), zuschießen. Vorher aber zwingt er sie dadurch, Gewinne aus anderen Geschäftsfeldern gegenzurechnen oder Rücklagen aus früheren Jahren aufzubrauchen – und schließt überhöhte Profitraten aus. Die Gasversorger würden den staatlichen Zuschuss für den Preisdeckel auf der Grundlage eines entsprechenden Antragsverfahrens erhalten.

Was kostet ein Gaspreisdeckel?

Ein Gaspreis-Deckel für deutsche Verbraucher*innen wäre gar nicht so teuer. Wenn die Preise auf dem aktuellen Niveau eingefroren würden, würden die Verbraucher*innen vor den Preiserhöhungen ab jetzt geschützt. Aufgrund der Faustregel, dass die Gaspreise sich gegenüber letztem Jahr verdoppelt haben und im nächsten Jahr auf das Dreifache des Stands von 2021 ansteigen dürften, müsste der Staat bundesweit ca. 17 Mrd. Euro einsetzen, um diesen Anstieg zu verhindern – maximal. Der Betrag wäre auch weiterhin jährlich fällig, bis sich die Gaspreise wieder beruhigt haben, womit ab Mitte der 2020er Jahre gerechnet wird.
Das ist viel Geld. Gemessen am Umfang der bisherigen Entlastungspakete, die von der Bundesregierung mit ca. 30 Mrd. Euro beziffert werden, ist es aber eine realistische Größe. Für ein paar Jahre jährlich 15-20 Mrd. Euro aufwenden, um private Haushalte vor den Folgen der aktuellen Energiepreiskrise zu schützen – das bewegt sich weit unterhalb des Niveaus der Maßnahmen, die in der Corona-Krise ergriffen wurden.
Der Gaspreisdeckel hat den unschätzbaren Vorteil, dass er aus Sicht der privaten Gaskund*innen das Übel an der Wurzel packt: Beim Gaspreis. Niemand wird bei einer solchen Hilfsmaßnahme „vergessen“. Niemand muss monatelang auf Zahlungen warten wie beim Wohngeld. Niemand ist auf komplizierte Antragsverfahren oder das Wohlwollen der Behörden angewiesen.

Der Deckel sollte nur fürs Grundkontingent pro Haushalt gelten

Ist der Gaspreisdeckel sozial gerecht? Ja, wenn er nur für ein Grundkontingent gilt, das nach Haushaltsgröße gestaffelt wird. Auf diese Weise kommen Haushalte, die auf weniger Quadratmetern und in Mehrfamilienhäusern wohnen, vollständig in den Genuss der Deckelung. Haushalte, die auf größerem Fuß leben, müssen daher einen Teil ihres Verbrauchs zum vollen Marktpreis beziehen.
Denkbar wäre: 8.000 kWh pro Jahr für die erste Person im Haushalt und 4.000 kWh für jede weitere Person werden vom Deckel erfasst. Das reicht für die Rentnerin oder die Studentin, die in einer 50-qm-Wohnung lebt, auf jeden Fall, genauso für die Alleinerziehende mit einer 80-qm-Wohung. Wer zu zweit in einem 120-qm-Reihenhaus lebt oder als Single ein 100-qm-Loft bewohnt, wird dagegen nicht damit auskommen und wird nur „teilweise gedeckelt“.
Aber profitieren dann nicht auch wohlhabende Haushalte zumindest teilweise vom Gaspreisdeckel? Ja, aber das ist deshalb nicht falsch. Viele öffentliche Leistungen kommen allen zugute, helfen aber denen mit geringeren Einkommen stärker. Der Gaspreisdeckel ist nicht nur eine soziale Ausgleichsleistung, er soll auch verhindern, dass durch zu starke Kaufkraftverluste die Konjunktur abgewürgt wird.

Ein Gaspreisdeckel für Bremen

Und wenn der Bund nicht handelt? Dann sollten, so wie wir das vom Mindestlohn und anderen Maßnahmen kennen, die Länder vorangehen. Zusätzliche Belastungen durch den Bund, wie mit der Gasumlage, können die Länder nicht kompensieren. Aber wo der Bund nicht handelt, können sie ihren Gestaltungsraum wahrnehmen, bis hoffentlich der Bund irgendwann nachzieht.
Auch in der Corona-Krise haben die Länder eigene Hilfsprogramme aufgelegt, um die Lücken zu füllen, die der Bund lässt. Schließlich tragen sie die Verantwortung, ihre Bürger*innen so gut es geht durch die Krise zu bringen, und soziale Verwerfungen zu verhindern.
Ein Gaspreisdeckel für Bremen wäre einfach, da die Gasversorgung für private Haushalte fast ausschließlich durch die swb wahrgenommen wird. Er wäre auch günstiger als im Bund, da das Preisniveau für Gas, wie gesagt, niedriger ist als im Bundesvergleich.
Das einfachste Modell (Variante 1) sieht so aus: Der Senat schließt mit der swb einen Vertrag, dass es in 2023 keine weitere Preiserhöhung beim Gas für die Haushalte geben wird. Im Gegenzug erhält die swb einen staatlichen Ausgleichsbetrag. Den Bedarf dafür muss die swb kalkulatorisch nachweisen.
Die Kosten lägen, wenn die Annahmen der swb zur Entwicklung der Einkaufspreise sich bestätigen, bei maximal 60 Mio. Euro im Jahr. (Realistisch wären es in 2023 vielleicht eher 45-50 Mio. Euro, was einer kompensierten Erhöhung ab März oder April entspräche.)
Das etwas feiner ausgefeilte Modell (Variante 2) wäre: Die Erhöhung wird abgewendet für ein Grundkontingent an Verbrauch wie oben beschrieben (8.000 kWh für das erste Haushaltsmitglied, 4.000 kWh für jedes weitere), nicht für darüberhinausgehende Verbrauche. Damit wären die Ziele der sozialen Staffelung und des Sparanreizes gerade für wohlhabendere Haushalte erfüllt. Der erforderliche Zuschussbetrag würde sich entsprechend reduzieren, da höherer Verbrauch nicht subventioniert wird.
Die Haushalte, die üblicherweise ein direktes Vertragsverhältnis mit der swb haben, müssten in dieser Variante die Zahl der im Haushalt lebenden Personen übermitteln. (Was im Fall einer stichprobenartigen Überprüfung dem Abgleich mit der Meldebestätigung standhalten müsste.) In den Fällen, wo das Vertragsverhältnis mit dem Wohnungseigentümer besteht, müsste dieser die Personenzahl übermitteln. Die swb würde entsprechend nach einem gesplitteten Tarif abrechnen: Günstigerer Preis für das Grundkontingent, höherer Preis für den darüberliegenden Verbrauch.
Die Kosten für den Landeshaushalt wären bei dieser Variante geringer als in Variante 1. Wenn z.B. die Hälfte der Haushalte 20 Prozent weniger verbraucht als das Kontingent und die andere Hälfte der Haushalte 20 Prozent mehr als das Kontingent, würden 10 Prozent vom Gesamtverbrauch nicht unter die Deckelung fallen. Der staatliche Zuschuss für ein volles Jahr läge dann statt bei 60 Mio. Euro nur bei 54 Mio. Euro.
Das gerechteste und anreizstärkste Modell (Variante 3) sähe vor: Der staatliche Zuschuss beträgt nur 80 Prozent der Absenkung für das Grundkontingent – die anderen 20 Prozent werden auf die höhere Preisstufe draufgeschlagen, die für höheren Verbrauch fällig wird. Auf diese Weise würden Haushalte mit höherem Verbrauch (also die wohlhabenderen Haushalte, die mit weniger Personen auf mehr Fläche wohnen) sich an der Subventionierung des Grundkontingents beteiligen und selbst einen Teil ihres Subventionsbetrags zurückgeben. Billiger als ohne Deckelung wäre es trotzdem für alle.
In dieser Variante lägen die Kosten für den Landeshaushalt bei 43 Mio. Euro für ein volles Jahr. Verglichen mit den Ausgaben für die Bekämpfung der Corona-Krise ist das eine überschaubare Summe.
Der Senat hat bereits angekündigt, einen Fonds für soziale und wirtschaftliche Ausgleiche der Krise einzurichten – aus dem sollte der Bremer Gaspreisdeckel bezahlt werden, ebenso wie weitere Maßnahmen. Mit 10 Mio. Euro ist der Fonds bisher natürlich viel zu klein dimensioniert.


Hier (pdf) können Sie das Strategiepapier auch downloaden.