Auf Initiative der Bildungspolitikerinnen Agnes Alpers, Mitglied des Deutschen Bundestags, und Kristina Vogt, Vorsitzende der Links- fraktion in der Bremischen Bürgerschaft, fand am 2. Nov. 2012,im DGB-Haus eine hochschulpolitische Fachtagung für das Land Bremen und Niedersachsens Nordwesten statt. Die Konferenz versteht sich als Ort der kritischen Auseinandersetzung mit ‚Exzellenzdruck‘, Personalkürzungen, der sozialen Situation von Studierenden und der Unterfinanzierung öffentlicher Unis und Hochschulen.

Nach der Begrüßung hat Dr. Andreas Keller vom GEW-Hauptvorstand ein Eingangsreferat (PowerPoint) gehalten, anschließend wurde darüber diskutiert. Das Referat und die Diskussion können Sie sich auch als mp3-Datei downloaden.

Der promovierte Politikwissenschaftler leitet seit Januar 2007 den Organisationsbereich Hochschule und Forschung im Geschäftsführenden Vorstand der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW).

Davor war der 47-Jährige in Forschung und Lehre (1993 bis 1999 Philipps-Universität Marburg), in der Politikberatung (2000-2002 Fraktion der PDS im Deutschen Bundestag) und in der Hochschulverwaltung (2003-2006 Charité - Universitätsmedizin Berlin) tätig.



Im Vorfeld der hochschulpolitischen Konferenz der LINKEN im Bundestag und in der Bremischen Bürgerschaft sprach unsere Online-Redaktion mit ihm.


Redaktion: Herr Dr. Keller, Sie nehmen am Freitag an einer Konferenz der LINKEN teil. Der Titel der Fachtagung lautet ‚Gute Hochschule geht anders‘. Wie denn?

Dr. Andreas Keller: Wissenschaft demokratisieren, Hochschulen öffnen, Qualität von Forschung und Lehre entwickeln, Arbeits- und Studienbedingungen verbessern – das ist das Leitbild der Bildungsgewerkschaft GEW für eine alternative Hochschulentwicklung. Das neoliberale Leitbild der "unternehmerischen Hochschule" ist ein Irrweg, wir müssen die Hochschulen als öffentliche Einrichtungen stärken, in denen Studierende und Beschäftigte gleichberechtigt mitbestimmen können. In der Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts brauchen wir nicht weniger, sondern immer mehr gut ausgebildete Akademikerinnen und Akademiker, daher müssen wir die Hochschulen ausbauen, Zugangshürden beseitigen, Studiengebühren abschaffen und eine leistungsfähige Ausbildungsförderung schaffen. Und schließlich sind gute Bildung und gute Arbeit zwei Seiten einer Medaille, daher brauchen wir eine Verbesserung sowohl der Studienbedingungen als auch der Beschäftigungsbedingungen der in Forschung, Lehre und Verwaltung tätigen Kolleginnen und Kollegen.

In Ihrem Input-Referat wollen Sie auch auf die prekäre Arbeit von Lehrbeauftragten eingehen. Wie sieht denn solch eine unsichere Tätigkeit aus. Zwingt der akademische Wettbewerb zwischen den Lehreinrichtungen diese nicht dazu, den Druck an ihre Angestellten weiterzugeben?

Lehrbeauftragte, die als akademische Tagelöhner stundenweise für Lehrveranstaltungen angeheuert werden, sind nur die Spitze des Eisbergs. Auch die Beschäftigungsbedingungen der 160.000 wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben sich dramatisch verschlechtert: Auf einen Dauervertrag kommen acht Zeitverträge, mehrheitlich mit einer Vertragslaufzeit von weniger als einem Jahr. Das ist auch eine Folge des Ausbaus der Projektfinanzierung zu Lasten der Grundfinanzierung der Hochschulen. Aber die Hochschulen können dem entgegenwirken und Mindeststandards für eine faire Beschäftigung garantieren. Die GEW fordert, dass sich die Hochschulen in einem Kodex "Gute Arbeit in der Wissenschaft" zu berechenbaren Karrierewegen und stabilen Beschäftigungsbedingungen verpflichten.

In Bayern diskutiert man nun auch in der CSU offen über die Abschaffung der Studiengebühren. Ist dies ein richtiger Weg oder sollten die Bundesländer vielmehr die andere Richtung ein- schlagen, sprich die Studiengebühren erhöhen, um Hochschulen besser auszustatten?

Vor wenigen Jahren waren es sieben Länder, die allgemeine Studiengebühren eingeführt hatten, jetzt sind es mit Niedersachsen und Bayern noch zwei und auch diese Front bröckelt. Studiengebühren schrecken nachweislich Studienberechtigte vom Hochschulstudium, sie widersprechen dem Grundsatz der Chancengleichheit und sie verletzen das Menschrecht auf Bildung. Daher sind die Gebühren ein Auslaufmodell und ich bin zuversichtlich, dass dies auch die Landesregierungen in Bayern und Niedersachsen merken werden, möglicherweise noch vor den Landtagswahlen im nächsten Jahr.

Im kommenden Jahr wird wieder gewählt. Was erwarten Sie von den neuen Bundestags- abgeordneten, welche dringendsten hochschulpolitischen Felder müssten aus Ihrer Sicht schnellstmöglich ‚beackert‘ werden?

Wir brauchen erstens einen spürbaren Ausbau der Hochschulen – der Hochschulpakt muss erweitert und verstetigt werden. Zweitens muss der Bund in einem Bundesgesetz, alle Hochschulen verpflichten, an einem funktionierenden bundesweiten System der Hochschulzulassung teilzunehmen und den freien Zugang zum Masterstudium für alle Bachelorabsolventinnen und –absolventen garantieren. Und drittens muss endlich das Wissenschaftszeitvertragsgesetz reformiert werden, damit der Anteil der Zeitverträge begrenzt und die Vertragslaufzeiten verlängert werden.

Wir bedanken uns für das Gespräch und freuen uns schon auf die Veranstaltung.


Hier können Sie den Flyer mit dem Programmablauf downloaden.

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