Wahlbeteiligung nachhaltig fördern, Briefwahl an Ort und Stelle in Schulen ermöglichen – Gesetz zur Änderung des Bremischen Wahlgesetzes

JanßenJustiz & Inneres, Religion

Nachdem es bei der Bürgerschaftswahl 2015 zu einer historisch niedrigen Wahlbeteiligung von nur 50,2 Prozent gekommen war, hatte die Bürgerschaft in der 19. Wahlperiode einen nicht ständigen Ausschuss zur „Erhöhung der Wahlbeteiligung und Weiterentwicklung des Wahlrechts“ eingesetzt. Auf dessen Antrag hin (Drucksache 19/2185) forderte die Bürgerschaft mit Beschluss vom 7. Mai 2019 den Senat auf, „in der Bremischen Landeswahlordnung die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass in allen weiterbildenden Schulen die Möglichkeit geschaffen wird, dass dort anwesende Wahlberechtigte eine Woche vor dem Wahltermin in der Zeit von 08.30 Uhr bis 15.30 Uhr ihre Stimme abgeben können“. Der nicht ständige Ausschuss griff damit einen Projektvorschlag auf, der durch eine Gruppe von Schüler*innen der Gesamtschule Bremen-Ost an die Bürgerschaft herangetragen und durch die Bertelsmann-Stiftung konkretisiert worden war. Der Ausschuss begründete seinen Antrag mit der wissenschaftlichen Erkenntnis, wonach die erstmalige Teilnahme an einer Wahl in einem möglichst frühen Alter erfolgen solle. So könne nach Überzeugung der Wissenschaft eine Wahlgewohnheit entstehen, die es deutlich wahrscheinlicher mache, dass die Menschen auch zukünftig regelmäßig wählen gingen.

Der Senat sieht sich an der Umsetzung dieses Bürgerschaftsbeschlusses gehindert, da die Schulwahl nach der rechtlichen Beurteilung sowohl des Senators für Inneres als auch der Senatorin für Justiz und Verfassung einer gesetzlichen Regelung bedürfe. Ohne eine solche gesetzliche Regelung sei die von der Bürgerschaft geforderte Änderung der Landeswahlordnung demnach nicht möglich. Zudem sei dringend anzuraten, die gesetzliche Regelung vor ihrer ersten Anwendung dem Staatsgerichtshof im Rahmen einer präventiven Normenkontrolle vorzulegen, denn selbst mit einer parlamentsgesetzlichen Regelung sei das Projekt von Verfassungs wegen in mehrfacher Hinsicht risikoreich – u. a. im Hinblick auf die Gleichheit der Wahl, auf die Chancengleichheit der Parteien und einzelner Wahlbewerber*innen sowie auf die staatliche Neutralitätspflicht.

Ungeachtet dieser Bedenken kann die Möglichkeit zum Wählen an Schulen einen wichtigen und langfristigen Beitrag zur Erhöhung oder zumindest zur Stabilisierung der Wahlbeteiligung leisten. Im Interesse einer rechtssicheren Wahldurchführung ist jedoch zunächst die Vereinbarkeit mit der Landesverfassung zu klären. Eine präventive Normenkontrolle setzt nach der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs einen Gesetzentwurf voraus, der bereits eine genau feststehende und damit am Maßstab der Verfassung messbare Formulierung gefunden hat. Außerdem muss absehbar sein – beispielsweise durch einen Mehrheitsbeschluss in erster Lesung –, dass das Gesetzgebungsverfahren mit dem Ziel der Verabschiedung der Norm fortgesetzt werden soll, falls der Staatsgerichtshof die Vereinbarkeit des Entwurfs mit der Verfassung feststellt. Die Bürgerschaft hat gegenüber dem Staatsgerichtshof darzulegen, mit welchen Vorschriften der Landesverfassung der vorgelegte Gesetzentwurf möglicherweise nicht vereinbar ist, und soll sich dazu äußern, wie die Verfassung ihrer Auffassung nach auszulegen ist.

Die Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:
1. Die Bürgerschaft (Landtag) beschließt den als Anlage beigefügten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bremischen Wahlgesetzes in erster Lesung.
2. Die Bürgerschaft (Landtag) legt den in erster Lesung beschlossenen Gesetzentwurf dem Staatsgerichtshof zur Entscheidung darüber vor, ob dieser Gesetzentwurf mit der Landesverfassung vereinbar ist.

Ralph Saxe, Björn Fecker und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Kevin Lenkeit, Mustafa Güngör und Fraktion der SPD
Nelson Janßen, Sofia Leonidakis und Fraktion DIE LINKE

Den Anhang  mit dem "Gesetz zur Änderung des Bremischen Wahlgesetzes" können Sie hier einsehen.