Schwammstadt – ein Leitbild für Stadtentwicklung, Stadtplanung und Lebensqualität
Das Prinzip der Schwammstadt ist in der Lage, die auftretenden Folgen des Klimawandels deutlich zu mildern und das Leben in unserer Stadt gesünder und lebenswerter zu gestalten. Im Grundsatz geht es darum, Regenwasser zwischenzuspeichern, ob nun im Boden, in Teichen, Feuchtgebieten oder Zisternen. Wie wichtig das ist, haben nicht erst die Hochwasserereignisse zum Jahreswechsel 2023/2024 gezeigt. Dafür muss die gebaute Infrastruktur angepasst und Elemente der grünen Infrastruktur wie Bäume, Pflanzen, Teiche, Gewässer, Parks, Dach- und Fassadenbegrünung planerisch einbezogen werden, insbesondere dort, wo gebaut wird. Als wesentliches Element einer wassersensiblen Schwammstadt legen viele Kommunen einen besonderen Fokus auf die verkehrliche Infrastruktur und bauen diese sukzessive zu einer blaugrünen Verkehrsinfrastruktur um.
Bremen weist zwar im Vergleich zu anderen deutschen Städten einen niedrigeren Grad der Versiegelung auf, dennoch bewirkt auch in Bremen der jetzige Grad der Flächenversiegelung, dass das meiste Niederschlagswasser über die Kanalisation abgeleitet wird. Hinzu kommt, dass es nicht immer gelingt, das Regenwasser zusammen mit unseren Abwässern aus Haushalt und Industrie ordnungsgemäß zu den Klärwerken zu leiten. Unsere Kanalisation kommt insbesondere bei Starkregen schnell an ihre Grenzen. Ist ein bestimmter Schwellenwert überschritten, wird das Abwasser ohne jegliche Form der Reinigung in unsere Oberflächengewässer überführt, was katastrophale Folgen für unsere Gewässer hat. Gerade durch die im Zuge der Klimakrise zunehmenden Phänomene von extremen Niederschlägen mit Überflutungen und gesundheitsbelastende Hitzeperioden und Dürren ist dies kritisch und führt nicht zu einer besseren Anpassung an den Klimawandel.
Bereits heute wird in Bremen an vielen Stellen dem Gedanken der Schwammstadt Rechnung getragen. Dies findet sich unter anderem in den Regelungen des Bremer Standards zu Freiflächen und Regenwassermanagement, Nachweis- und Prüfpflichten in Bauleitplanverfahren, Pflicht zur Begrünung von Flachdächern und Vorgärten oder im Flächennutzungsplan wieder. Auch in der Planung verschiedener neugestalteter Quartiere, wie zum Beispiel dem Ellener Hof, dem Tabakquartier oder der Gartenstadt Werdersee, wurden Aspekte der Schwammstadt bereits berücksichtigt. Aufbauend auf diesen ersten Ansätzen gilt es, weitere Maßnahmen der Schwammstadt in der Stadtentwicklung und Stadtplanung flächendeckend umzusetzen. Dabei geht es ausdrücklich aber nicht um ein theoretisches Konstrukt, sondern um die weitmögliche Umsetzung von Maßnahmen. Die Schwammstadt muss daher zu einem zentralen Leitbild der Stadtentwicklung und Stadtplanung werden. Überall dort, wo wir in der Stadt bauen – seien es Kanäle, Straßen oder Gebäude – müssen Prinzipien einer Schwammstadt geprüft und nach Möglichkeit umgesetzt werden. Denn: einmal gebaute Strukturen sollen Jahrzehnte halten, ohne wieder umgebaut zu werden. Es geht darum, unsere Städte jetzt für die nächsten Jahrzehnte fit zu machen und als lebenswert zu erhalten. Die Schwammstadt speichert Regenwasser für die Pflanzen und Bäume, wertvolle Trinkwasserreserven werden so geschont.
Neben dem Fokus auf die Teile der Stadt, die wir sowieso umbauen oder neu anlegen, müssen wir identifizieren, wo die größten Änderungsbedarfe und Potenziale bestehen. Grade einkommensschwache Stadtteile sind im besonderen Maße durch die Folgen des Klimawandels betroffen und durch fehlende Grünanlagen überdurchschnittlich stark erhitzt. Auch die bereits identifizierten Orte, die besonders unter Starkregenereignissen leiden, müssen vorrangig behandelt werden. Ein zentraler Punkt in der Entwicklung einer Schwammstadt ist auch die Materialfrage bei gebauten Infrastrukturen: Gibt es ausreichend Möglichkeiten, um eine Versickerung sicherzustellen? Welche Materialien, die sich weniger stark aufheizen, können verwendet werden? Auch der Erhalt von Frischluftschneisen ist bedeutsam, damit sich unsere Städte nicht zu sehr aufheizen. Unnötige Neuversiegelungen müssen verhindert werden.
Die Stadtbürgerschaft möge beschließen:
Die Stadtbürgerschaft fordert den Senat auf,
1. in Abstimmung mit der Stadtgemeinde Bremerhaven zu prüfen, ob und wie Kriterien von Schwammstadt und blaugrüner Infrastruktur in die Klimaanpassungsstrategien des Landes Bremen stärker integriert werden können;
2. aufbauend auf den Klimaanpassungsstrategien des Landes Bremen und der Stadt Bremen die Entwicklung eines Leitbildes Schwammstadt für die Stadtgemeinde Bremen voranzubringen sowie entsprechende Gespräche mit der Stadt Bremerhaven aufzunehmen und Kriterien sowie mögliche Bausteine einer blaugrünen Infrastruktur zu definieren;
3. dabei auf den bereits heute praktizierten Maßnahmen im Sinne der Schwammstadt (beispielhaft: Inhalte des Bremer Standards zu Freiflächen und Regenwassermanagement, Nachweis- und Prüfpflichten in Bauleitplanverfahren, Pflicht zur Begrünung von Flachdächern und Vorgärten) aufzubauen und die Schaffung von Retentionsflächen und Zisternen, Möglichkeiten der Entsiegelung, Berücksichtigung der wassersensiblen Stadt in Bebauungsplänen sowie Projekte der Grauwassernutzung zu prüfen;
4. geeignete Bau- und Umbauvorhaben zur Erprobung von Kriterien der wassersensiblen Stadt zu identifizieren und mit ersten Pilotmaßnahmen zu beginnen im Wohnungsbau, in Gewerbegebieten, beim Kanalumbau mit Straßenumbau sowie bei Neu- und Umbauvorhaben im Straßenbau nach Maßgabe des Konzepts der blaugrünen Infrastruktur;
5. sich bei der Umsetzung des Leitbilds zunächst auf die zum Um- beziehungsweise Neubau vorgesehenen Bereiche zu fokussieren;
6. sich um Fördermöglichkeiten des Bundes und der EU zu bemühen;
7. die vorhandene grüne Infrastruktur mit der in der Stadt vorhandenen Expertise zukunftsgerecht zu erhalten. Bei neu zu schaffenden Grünbereichen soll ein Schwerpunkt auf bislang mit Grün unterversorgte und besonders stark vom Klimawandel betroffene Stadtteile gelegt werden;
8. die Beiräte bei der Entwicklung und Umsetzung des Leitbildes maßgeblich einzubeziehen;
9. der städtischen Deputation für Umwelt, Klima und Landwirtschaft, der städtischen Deputation für Mobilität, Bau und Stadtentwicklung, der städtischen Deputation für Wirtschaft und Häfen sowie der städtischen Deputation für Kinder und Bildung nach einem halben Jahr zu berichten und erste Projekte vorzustellen. Jedes Jahr soll ein Fortschrittsbericht folgen.
Ralph Saxe, Bithja Menzel, Philipp Bruck, Dr. Emanuel Herold, Dr. Henrike Müller und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Sofia Leonidakis, Nelson Janßen und Fraktion DIE LINKE
Derik Eicke, Falk-Constantin Wagner, Mustafa Güngör und Fraktion der SPD