Wie weiter mit dem Härtefallfonds zur Vermeidung von Energie- und Wasser- sperren?
Im Oktober 2020 beschloss die Bremische Bürgerschaft (Landtag) den Antrag „Energie- und Wassersperren minimieren, Härtefallfonds realisieren: Konzept für die Ausgestaltung des Härtefallfonds „Energie- und Wassersperren“ entwickeln“ der Fraktionen der Linken, SPD und Bündnis 90/Die Grünen (Drs. 20/650). Dies war der Startschuss für ein neues Instrument zur Reduzierung der Strom-, Gas- und Wassersperren in Bremen und Bremerhaven.
Dadurch wurde neben dem Runden Tisch „Energie- und Wassersperren im Land Bremen vermeiden“ die Möglichkeit geschaffen, Privatpersonen, die der Zahlung ihrer Strom-, Wasser- und Gasrechnungen nicht nachkommen können und denen Energiesperren drohen, in Härtefällen zu helfen. Dieser war zunächst mit einem Volumen von 250.000 € im Haushalt unterlegt worden. Die Zielgruppe waren vor allem Menschen im Leistungsbezug von SGB II, XII und AsylBLG, aber grundsätzlich auch Haushalte mit geringem Einkommen, etwa Wohngeldempfänger*innen. Diese konnten bei Sperrandrohung ihrer Energie- oder Wasserversorgung in einem zweistufigen Verfahren unterstützt werden. Nach einer Sperrandrohung wurde (und wird) zunächst über den „Runden Tisch Energie- und Wassersperren im Land Bremen vermeiden“ ein Prozess in Gang gesetzt, bei dem Stundungen, mögliche Leistungsansprüche (etwa Wohngeld, ALG II oder ähnliches) und weiteres geprüft werden, um von Sperrandrohungen betroffene Bürger*innen in Bremen und Bremerhaven schnell und unkompliziert zu unterstützen. Sollten sich hieraus keine Möglichkeiten der Bewältigung der Energieschulden ergeben, konnte ein Antrag auf Übernahme der Schulden aus dem Härtefallfonds „Energie- und Wassersperren“ in Verbindung mit einer Beratung durch die Verbraucherzentrale Bremen erfolgen.
Durch gestiegenen Lebenshaltungs- und Energiekosten infolge des Angriffskriegs auf die Ukraine waren ab 2022 immer mehr Haushalte in prekären Lebenslagen, weshalb die rot-grün-rote Koalition in der Bremischen Bürgerschaft eine Ausweitung des Härtefallfonds beschloss, der einen einfacheren Zugang ermöglichte, die Zielgruppe der Haushalte mit geringem Einkommen gezielter ansprach und deutlich mehr Zuschüsse gewährte als im ursprünglichen Härtefallfonds. So wurden in der Zeit von November 2023 bis zum Auslaufen des erweiterten Härtefallfonds Ende 2024 42 Anträge bewilligt und Haushalte im Umfang von rund 135.000€ unterstützt, wie die Sozialbehörde in der Deputation für Soziales und Integration im April 2025 berichtete (Vorlage VL 21/4610).
Mit der Einrichtung des erweiterten Härtefallfonds ging die Schaffung einer Kompetenzstelle bei der Verbraucherzentrale einher, so dass eine besonders geeignete und sinnvolle Unterstützung für einkommensarme Haushalte, die keine Transferleistungen beziehen, bestand. Für die Haushalte konnten durch Beratung und auch finanzielle Leistungen aus dem erweiterten Härtefallfonds Sperren verhindert bzw. wieder aufgehoben und krisenbedingte Härten vermieden werden. Die Verbraucherzentrale konnte zielgerichtet Kontakt mit dem Energieversorger aufnehmen und die erforderlichen Schritte, wie eine Unterbrechung des Sperrpro-
zesses, Vereinbarung von Ratenzahlungen oder eine Zahlung aus dem Härtefallfonds, einleiten. Der erweiterte Härtefallfonds und auch die Arbeit der Kompetenzstelle liefen zum 31.12.2024 aus. Die Mittel aus dem ursprüngliche Härtefallfonds sind ausgeschöpft, neue Mittel bisher nicht eingeplant.
Doch nach wie vor hat sich die Situation für viele Menschen nicht entspannt. Sie erfahren noch immer starken Einschränkungen ihrer Lebensbedingungen aufgrund der Preisentwicklungen und der Inflation. Zwar haben die Energiesperren im vergangenen Jahr nur leicht zugenommen um 5,3 Prozent, wie die swb in einer Pressekonferenz im April 2025 mitteilte, die stark steigenden Beratungszahlen bei der Verbraucherzentrale deuteten jedoch darauf hin, dass Energiearmut weiterhin ein großes Problem darstellt.
Energie- und Wassersperren sind ein schwerer Schlag für die Betroffenen und können zu einer Unbewohnbarkeit der Wohnung führen. Insbesondere für Familien mit kleinen Kindern, psychisch oder physisch kranken, älteren oder pflegebedürftigen Haushaltsmitgliedern ist diese Situation schwer zu bewältigen. Ganz allgemein drohen durch die Energie- und Wassersperren noch anderweitige Gefahren z.B. der Sicherheit der Wohnung, gesundheitliche Beeinträchtigungen, weitere Verschuldung etc. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage,
wie es mit dem Härtefallfonds weitergehen kann.
Wir fragen den Senat:
1. Wie viele Androhungen von Energie- und Wassersperren, wie viele Umsetzungen von Sperren und wie viele Abwendungsvereinbarungen durch die swb hat es seit Beginn des Jahres 2025 in Bremen gegeben? Bitte differenzieren nach Sperrandrohungen, umgesetzte Sperren und Abwendungsvereinbarungen.
2. Wie viele Anträge wurden im Jahr 2024 und bis zum aktuellen Zeitpunkt an den Härtefallfonds gestellt (bitte differenzieren nach Härtefallfonds und erweitertem Härtefallfonds)?
3. Wie viele Anträge wurden bewilligt? Wie hoch waren durchschnittlich die bewilligten Summen (bitte differenzieren nach Härtefallfonds und erweitertem Härtefallfonds)?
4. Welche Personengruppen haben seit Beginn des Jahres 2024 bis zum aktuellen Zeitpunkt Bewilligungen aus dem Härtefallfonds erhalten (etwa Leistungsempfänger*innen nach SGB II, SGB XII, Geringverdienende u.a.)?
5. Wie viele Anträge wurden abgelehnt und was waren die Ablehnungsgründe?
6. Welche Summen wurden insgesamt verausgabt über den Härtefallfonds und den erweiterten Härtefallfonds als Härtefallleistungen, Verwaltungskosten, Werbekosten etc. (bitte separat und nach Jahren differenziert angeben)?
7. Was kann der Runde Tisch „Energiesperren vermeiden“ und der Zappenduster-Prozess jenseits des Härtefallfonds für Personen anbieten, die nicht leistungsberechtigt sind oder für die das Jobcenter ein Darlehen abgelehnt hat?
8. Wie viele Anträge auf Darlehen wegen Energie- und Wassersperren/-sperrandrohungen bzw. -schulden wurden im Jahr 2024 und bis zum aktuellen Zeitpunkt an das Jobcenter Bremen und das Amt für Soziale Dienste gerichtet? Bitte nach Anzahl der Anträge beim Jobcenter und beim AfSD sowie Jahre differenzieren.
9. Wie viele Anträge auf Darlehen im Rahmen des Bezuges von Sozialleistungen wurden bewilligt? Wie hoch waren durchschnittlich die bewilligten Summen? Bitte nach Jobcenter und AfSD sowie Jahre differenzieren.
10. Wie viele Anträge wurden abgelehnt und was waren die Ablehnungsgründe? Bitte nach Jobcenter und AfSD sowie Jahre differenzieren.
11. Wie viele Beratungen zu Energie- und Wassersperren sind im Jahr 2024 und bis zum aktuellen Zeitpunkt durch die Verbraucherzentrale Bremen erteilt worden? Bitte nach Jahren differenzieren.
12. Welchen Beitrag leistet die swb als regionaler Hauptversorger zum Runden Tisch, zum Härtefallfonds oder im Vorfeld zur Vermeidung von Sperren, z.B. durch aufsuchende Tätigkeit?
13. In wie vielen Fällen, die im Runden Tisch oder im Zappenduster-Prozess ankamen, hat die swb einem Teilschulderlass aus Kulanzgründen zugestimmt?
14. Wie viele Ratenzahlungs- und Abwendungsvereinbarungen mit der swb sind geplatzt, und wären diese grundsätzlich tragfähiger, wenn sie geringere Summen und/oder längere Zeiträume der Ratenvereinbarung oder geringere Summen (Teilsummen) umfassen würden?
15. Wie wird eine Schuldenberatung in den Zappenduster-Prozess integriert, um nachhaltige Lösungen zu finden und erneute Energieschulden zu vermeiden?
16. Inwieweit wurde der Beschlusspunkt 13 des Antrages „Gerecht und fair: Entlastung jetzt – Energiearmut verhindern“ (Drs. 20/1581) der Fraktionen Die Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen umgesetzt?
17. Kann aus Sicht des Senats der Anmerkung des Landesrechnungshofes, es gebe gesetzlich normierte Ansprüche auf analoge Leistungen, entsprochen werden, wenn der Härtefallfonds gegen Energie- und Wassersperren auf Leistungen für von Sperren bedrohte oder betroffene Personen in Härtefällen angewendet wird, die entweder nicht leistungsberechtigt sind oder deren Darlehensantrag von Leistungsträgern abgelehnt
wurden? Wenn nein, warum nicht?
18. Wie ist die Bilanz des Senats im Hinblick auf den erweiterten und den ursprünglichen Härtefallfonds? Ist das Modell aus Sicht des Senats geeignet, um Härten durch Energie- und Wassersperren zu vermeiden als eins von mehreren Instrumenten?
19. Rechnet der Senat mit steigenden Energie- und Wassersperren aufgrund des eingestellten Härtefallfonds
Sofia Leonidakis, Nelson Janßen und Fraktion DIE LINKE
