Waren aus dem entfallenen Wintergeschäft sinnvoll verwenden – Entsorgung verhindern

Im Rahmen des überarbeiteten Bundesprogramms „Überbrückungshilfe III“, das Mitte Januar 2021 gestartet ist, um Unternehmen während der Covid-19-Pandemie zu unterstützen, wurden u.a. Sonderregelungen für den Einzelhandel getroffen. Da das Wintergeschäft aufgrund der angeordneten Geschäftsschließung teilweise ausgefallen ist und große Mengen an Waren nicht oder nur mit erheblichen Wertverlusten verkauft werden konnten, wird für Ware der Wintersaison 2020/2021 eine Sonderregelung eingeführt. Dies betrifft zum Beispiel Weihnachtsartikel, Feuerwerkskörper und Winterkleidung. Einzelhändler*innen können unter bestimmten Voraussetzungen ihre Abschreibungen auf das Umlaufvermögen bei den Fixkosten berücksichtigen. Diese Warenabschreibungen können mit bis zu 100 Prozent als Fixkosten zum Ansatz gebracht werden. Um die Entsorgung der Ware zu vermeiden, sind für die Ermittlung des förderfähigen Betrags die kumulierten Abgabepreise mit wenigstens zehn Prozent der kumulierten Einkaufspreise anzusetzen. Werden Waren zu wohltätigen Zwecken gespendet, soll ein Abgabepreis von Null angesetzt werden, was das Spenden rentabler als das Entsorgen von Waren macht. Dabei sind umfassende Dokumentations- und Nachweispflichten über den Verbleib der Ware sowie ihre Wertentwicklung zu erfüllen.

Dennoch wird befürchtet, dass große Mengen an Textilwaren entsorgt werden könnten. Nach Schätzungen der Handelsverbände Textil (BTE), Schuhe (BDSE) und Lederwaren (BLE) gab es bereits bis Ende Januar 2021 im stationären Handel eine halbe Milliarde unverkaufter Modeartikel. Bislang fehlen konkrete Konzepte zur Weitergabe, Spende oder Lagerung oder Erklärungen an Dritte oder die öffentliche Hand, jedoch werden in Bremen bereits erste Gespräche mit handelnden Akteur*innen geführt.

Eine Entsorgung wirft vielerlei Fragen der ökologischen Nachhaltigkeit und der sozialen Gerechtigkeit auf. Die Aussicht, mitten im Winter neue Winterkleidung zu entsorgen, ist in Anbetracht der Bedarfe, die Hilfsorganisationen und soziale Einrichtungen zur Unterstützung bedürftiger Menschen anmelden, nicht vermittelbar. Auch wäre ein solcher Umgang gegenüber den Arbeiter*innen, die diese Waren unter meist problematischen Bedingungen im Globalen Süden produzieren, ein inakzeptables Zeichen. Der ökologische Schaden einer derartigen Ressourcenverschwendung liegt zudem auf der Hand.

Das Schreddern von Neuwaren ist auch rechtlich nicht unproblematisch: Aus Sicht der Umweltorganisation Greenpeace bedeutet ein derartiges Vorgehen einen Verstoß gegen die Obhutspflicht entsprechend des jüngst novellierten Kreislaufwirtschaftsgesetzes. Wenngleich diese Rechtsauslegung aktuell umstritten ist, bedeutet sie für den Einzelhandel bis zu einer juristischen Klärung zusätzliche Unsicherheit. Ergänzend zu den finanziellen Anreizen, die der Bund zur Vermeidung der Entsorgung von Waren vorgesehen hat, sollten auf der Landesebene gemeinsam mit den City-Initiativen und Einzelhändler*innen in Bremen und Bremerhaven konkrete Maßnahmen geprüft und umgesetzt werden, um eine Entsorgung von Kleidung zu vermeiden. Augenmerk soll insbesondere darauf gelegt werden, Waren zu wohltätigen Zwecken zu spenden. Dafür sollen Spielräume für eine finanzielle Unterstützung der in Bremen und Bremerhaven ansässigen Einzelhändler*innen aus dem Bremen Fonds geprüft werden.

Die Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:
Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf,
1. unter Einbeziehung der City-Initiativen zu ermitteln, welche in Bremen und Bremerhaven ansässigen Einzelhändler*innen von den Sonderregelungen im Rahmen der Überbrückungshilfe III Gebrauch machen und welche konkreten Mengen an Waren insgesamt in Bremen und Bremerhaven infolge der neuen Sonderregelungen vom Markt genommen oder anderweitig weitergegeben werden sollen;
2. im Austausch mit den City-Initiativen und den Unternehmen in Bremen und Bremerhaven Konzepte zum Umgang mit den Warenbeständen zu erarbeiten, die sie vor der Entsorgung bewahren (z.B. Weitergabe zum Zweck der Spende);
3. unter Beteiligung der City-Initiativen Kontakt mit Wohlfahrtsverbänden, Hilfsorganisationen und sozialen Einrichtungen in Bremen und Bremerhaven aufzunehmen, um konkrete Bedarfe nach bestimmten Waren zu identifizieren, und Spenden zu wohltätigen Zwecken zu ermöglichen; dabei ist sicherzustellen, dass keine Warenströme entstehen, die Textilmärkte anderer Länder bedrohen;
4. zu prüfen, ob die anfallenden Mehrkosten (für Sammlung, Lagerung, Verteilung o.ä.) aus Mitteln des Bremen Fonds übernommen werden können;
5. auf Bundes- bzw. Europaebene auf eine Klärung der skizzierten rechtlichen Fragestellungen hinzuwirken und ggf. die Durchsetzung der Obhutspflicht (nach § 23 Abs. 2 Nr. 11 KrWG) sicherzustellen;
6. der Deputation für Wirtschaft und Arbeit und der Deputation für Klima und Umwelt drei Monate nach Beschlussfassung zu berichten.

Robert Bücking, Ralph Saxe, Philipp Bruck, Björn Fecker und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Volker Stahmann, Arno Gottschalk, Mustafa Güngör und Fraktion der SPD
Ingo Tebje, Nelson Janßen, Sofia Leonidakis und Fraktion DIE LINKE