Den Verlust von Containern in der Seeschifffahrt effektiv verhindern

Laut einer Untersuchung des World Shipping Council (WSC) wurden 2019 weltweit circa 226 Millionen Container über See befördert. Dafür sind dauerhaft mehr als 6.000 Containerschiffe im Einsatz. Immer wieder kommt es dabei zu Verlusten von einzelnen Containern oder größeren Ereignissen, bei denen eine Vielzahl an Containern auf hoher See verloren geht. So havarierte Anfang 2019 aufgrund eines Sturmes eines der größten Containerschiffe der Welt, die „MSC Zoe“, und verlor mehr als 342 Container, zwei davon mit Gefahrgut beladen, in der Nordsee.

In den letzten Jahren zeichnete sich ein Rückgang von Containerverlusten ab. Während laut WSC zwischen 2014 und 2016 noch 1.390 Container jährlich verloren gegangen sind, verringerte sich diese Zahl zwischen 2017 und 2019 auf 779 verlorengegangene Container. Jedoch stellen bereits einzelne auf See treibende Container eine große Gefahr für kleinere Schiffe dar. Insbesondere, wenn Gefahrengüter in den Containern transportiert werden, drohen zudem große Schäden für die Umwelt, in der Nordsee insbesondere für das besonders schützenswerte UNESCO-Welterbe Wattenmeer.

Das Packen, Stauen und Sichern der Container trägt ebenso wie das korrekt angegebene Gewicht maßgeblich zur Sicherheit von Containerschiffen bei. Bestehen bleiben Risiken wie extreme Wetterverhältnisse oder die Strandung oder Kollision von Schiffen. Insbesondere, wenn Containerschiffe durch Stürme, Wellen- und Tideverhältnisse ins Rollen geraten, also stark, z.B. an der Längsachse, schwanken, drohen große Ladungsverluste. Besonders gefährdet sind die modernen großen und breiten Schiffe, die überstabil sind. Gerade diese sehr hohe Stabilität kann sich negativ auf die Ladung auswirken. Wenn ein derartiges Schiff beispielsweise durch Stürme in Schräglage gerät, kann es sich zwar sehr schnell wieder aufrichten, doch führt dies zu großen Beschleunigungskräften an der Ladung. Dabei gilt, je höher die Stabilität eines Schiffes ist, desto schneller können Rollbewegungen sein. Je länger ein Schiff dann schwankt, desto größer ist die Gefahr, dass die Ladung diesen Schwung aufnimmt, große Kräfte auf Sicherungs-vorrichtungen wirken, Containerstrukturen und Laschmaterial versagen und Ladung ins Meer abrutscht. So war es laut Abschlussbericht auch bei der MSC Zoe, die wie andere Mega-Containerschiffe bereits aufgrund ihrer ho-hen Decksladung besonders gefährdet ist, der Fall. Laut Abschlussbericht war die MSC Zoe dabei einer Kombination von extremen Rollbewegungen und Beschleunigungskräften, (Beinahe)-Kontakt zum Meeresboden sowie grünem Wasser (Wasser der Wellen, das über das Deck oder gegen die Ladung an Deck fließt) und Slamming (Wellenschläge gegen die Seite eines Schiffes) ausgesetzt.

Um Containerverluste zu vermeiden, ist es deswegen nicht nur notwendig, die Ladungssicherheit von Containern weiter zu verbessern, sondern auch das Rollverhalten der großen Containerschiffe zu dämpfen und extrem hohe Rollbeschleunigungen zu verhindern, beispielsweise durch Schiffsstabilisatoren. Kreuzfahrtschiffe sind bereits vielfach mit Flossenstabilisatoren ausgestattet, bei denen ein hydraulischer Antrieb gegen die Rollbewegung des Schiffes arbeitet. Darüber hinaus gibt es Schlingertanks oder gyroskopische Stabilisatoren, bei denen Kreiselkräfte wirken.

Finanzielle Kosten entstehen dabei nicht ausschließlich bei der Beschaffung. So wirken beispielsweise die Flächen von ausgefahrenen Flossenstabilisatoren im Wasser als Widerstände, wodurch Schiffe bei gleichbleibender Antriebskraft langsamer werden und mehr Treibstoff verbrauchen. Wissenschaftliche Forschungen haben sich bereits mit optimierten Flossenstabilisatoren befasst. Überdies ist zu prüfen, welche Erkenntnisse aus der Kreuzfahrtschifffahrt über die Inanspruchnahme und Nutzung von Schiffsstabilisatoren vorliegen.

In den vergangenen Jahren wurden seitens der Schifffahrtindustrie einige Schritte unternommen, um die Ladungssicherheit zu verbessern und die Zahl der Container, die verloren gehen, weiter zu reduzieren. Darunter fällt der 2015 eingeführte CTU Code (Cargo Transport Units) der International Maritime Organization (IMO), der International Labour Organization (ILO) und der United Nations Economic Commission for Europe (UNECE), der Verfahrensregeln für das Packen von Containern festlegt. Zudem wurden 2015 die ISO-Standards zum Laschen der Container hinsichtlich des Equipments und der „corner castings“/“Twistlocks“ (standardisierte Containerecken, die Container und Schiff miteinander verbinden) überarbeitet. An diese Entwicklungen ist anzuknüpfen.

Deswegen wird der Senat aufgefordert, sich auf Bundes- und europäischer Ebene dafür einzusetzen, zu prüfen, wie einschlägige ISO-Standards für Containerzurreinrichtungen weiter optimiert werden können, um die Ladungssicherung zu verbessern. Zudem soll geprüft werden, welche geeigneten Systeme auf großen Containerschiffen integriert werden können, um das Rollverhalten der Schiffe im Seegang aktiv zu dämpfen. Für eine verbindliche Einführung dieser Schiffsstabilisatoren ist auch zu prüfen, inwiefern internationale Regelwerke und vor allem die „Intact Stability Codes“ der IMO zu überarbeiten sind.

Betrachtet werden soll auch die Verkehrsführung der großen Containerschiffe. Für die Festlegung von Maßnahmen zur Schiffswegeführung ist die IMO zuständig, jedoch liegt die Auswahl von Schiffswegeführungssystemen in der Verantwortung der Regierungen der betroffenen Küstenstaaten. Dabei besteht die Möglichkeit, bestimmte Wegeführungen für alle Schiffe, bestimmte Kategorien von Schiffen oder Schiffe mit einer bestimmten Ladung verbindlich vorzuschreiben. Es ist daran anzuknüpfen, dass die IMO das Wattenmeer in Dänemark, Deutschland und den Niederlanden bereits als besonders empfindliches Meeresgebiet ausgewiesen hat. Dies legitimiert, dass zusätzliche Schutzmaßnahmen für die Schifffahrt umgesetzt werden können. Für einige (Tank)-Schiffe, die schädliche flüssige Stoffe befördern, wurde bereits eine verbindliche Route festgelegt. Darüber hinaus soll geprüft werden, inwieweit alle großen Containerschiffe bei besonderen Wetterlagen künftig in küstenfernere Fahrwasser in der Nordsee umgeleitet werden können, um das Wattenmeer bei Havarien umfassend zu schützen.

Damit im Falle einer Havarie verlorengegangene Ladung zielgerichtet gesucht und zügig geborgen werden kann, sollte eine weitere Standardisierung und technische Optimierung des Container Trackings geprüft werden. Um die Datenlage über verlorengegangene Container zu verbessern, soll ein international verpflichtendes Meldesystem eingeführt werden. Dabei kann an erste Aktivitäten seitens IMO und WSC angeknüpft werden.

Die Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:

1. Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf, sich auf Bundes- und europäischer Ebene dafür einzusetzen,

1.1. ein international verpflichtendes Meldesystem für verlorengegangene Container einzuführen;

1.2. zu prüfen,
a. wie einschlägige ISO-Standards für Containerzurreinrichtungen weiter optimiert werden können, um Container noch besser auf Containerschiffen zu sichern;
b. wie die Einhaltung der Arbeitszeiten und Sozialstandards der Seeleute und Hafenarbeiter:innen besser gesichert und geprüft werden kann, um sowohl die Sicherheit der Beschäftigten, als auch der Ladung zu verbessern;
c. welche Systeme auf großen Containerschiffen verbindlich und im Rahmen von Anpassungen des Intact Stability Codes der IMO eingeführt werden können, um insbesondere das parametrische Rollverhalten der Schiffe im Seegang aktiv zu dämpfen; dabei sollen Erfahrungen aus der Kreuzfahrtschifffahrt berücksichtigt werden;
d. inwiefern eine weitere Standardisierung und Optimierung der Ortungssysteme für Container (Container Tracking) möglich ist; dies beinhaltet auch die Prüfung, inwieweit eine Pflicht zur Überwachung von Containern per GPS-Sender auf See umsetzbar ist;
e. inwieweit für große Containerschiffe bei besonderen Wetterlagen eine Verkehrsführung in küstenferneren Fahrwassern in der Nordsee ermöglicht werden kann, um bei Havarien insbesondere das Gebiet rund um das besonders schützenswerte UNESCO-Welterbe Wattenmeer umfassend zu schützen;

2. Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf, dem Ausschuss für Angelegen-heiten der Häfen im Lande Bremen beginnend nach Beschlussfassung jährlich zu berichten.

Jörg Zager, Mustafa Güngör und Fraktion der SPD
Ingo Tebje, Sofia Leonidakis, Nelson Janßen und Fraktion DIE LINKE
Maurice Müller, Dorothea Fensak, Björn Fecker und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN