Erfahrenes Leid anerkennen – Solidarität mit den geschädigten früheren Heimkindern

Ab dem Jahr 2012 wurden sukzessive Missstände in den teilweise geschlossenen Haasenburg-Heimen in Brandenburg und den Friesenhof-Heimen in Schleswig-Holstein unter anderem durch Presseberichte bekannt, die Heime wurden schließlich 2013 und 2015 geschlossen. In beiden Institutionen wurde auf bedingungslose Unterordnung gesetzt, die mit Zwang, Herabwürdigung, zum Teil mit körperlicher Gewalt, zum Teil mit wochenlangem Freiheitsentzug in „Einzelhaft“ durchgesetzt wurde. Einige der Betroffenen selbst gehen und gingen mit ihren leidvollen Erfahrungen an die Öffentlichkeit und auch Psycholog*innen, die die Langzeitfolgen von betroffenen Kindern und Jugendlichen untersuchten, stellten zum Teil andauernde schwere traumatische Belastungen fest.

Auch Bremer Kinder und Jugendliche wurden in den genannten Einrichtungen untergebracht, wenngleich nicht bis zur behördlichen Schließung. Die notwendige Aufarbeitung der Vorgänge, die zur dortigen Unterbringung und dem zugefügten Leid führten, wurde mit der von den Fraktionen DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen und der SPD an den Senat gerichteten Großen Anfrage angestoßen und bedarf nun einer Fortführung durch eine extern durchzuführende Studie.

Das Bundesland Bremen hat sich aktiv eingebracht in die Aufarbeitung des Leids der so genannten Heimkinder der Nachkriegszeit bis in die 1970er Jahre und hat die Einrichtung der Stiftung Anerkennung und Hilfe unterstützt. Doch auch nach 1975 hat es geschlossene Jugendheime und Jugendhilfeeinrichtungen gegeben, deren pädagogische Ansätze oder Alltag geprägt waren von psychischer und körperlicher Gewalt. Den Betroffenen, auch aus Bremen, fehlt bis heute die politische Anerkennung des durch die öffentliche Unterbringung erlebten Leids, eine umfassende Unterstützung bei der Bewältigung der Folgen sowie eine angemessene Entschädigung. Eine Entschädigung gibt es anders als für die früheren „Heimkinder“ nicht.

Auch auf Basis des Opferentschädigungsgesetzes (OEG) ist es nicht möglich, eine Entschädigung aufgrund erlittener psychischer Gewalt zu erhalten. 2024 wird das OEG in das neue Sozialgesetzbuch XIV (SGB XIV) überführt, ab diesem Zeitpunkt wird auch eine Entschädigung aufgrund psychischer Gewalterfahrung möglich sein. Eine Entschädigung für vor 2024 zugefügte psychische Gewalt ist derzeit höchst unwahrscheinlich.

Es ist überfällig, dass das Leid der Betroffenen anerkannt wird, dass Behörden aktive Unterstützung anbieten und das soziale Entschädigungsrecht so angepasst wird, dass die zeitliche Lücke in der Entschädigung von Heimkindern zwischen 1975 und 2024 geschlossen wird.

Die Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:

1. Die Bremische Bürgerschaft sieht und erkennt erlittenes Leid, das die Kinder und Jugendlichen in den Jugendeinrichtungen der Haasenburg und des Friesenhofs erfahren haben, und bedauert dies zutiefst.
Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf,
2. die individuellen und strukturellen Umstände und Folgen der Unterbringung in den geschlossenen oder intensivpädagogischen Jugendheimen Haasenburg und Friesenhof durch eine extern zu beauftragende Studie weiter aufzuarbeiten;
3. sich in der Jugend- und Familienminister*innenkonferenz (JFMK), bei den beteiligten Bundesländern und auf Bundesebene für die Schließung der Schutzlücke für die ehemaligen Heimkinder, die nach dem durch die Stiftung Anerkennung abgedeckten Zeitraum und vor Inkrafttreten der Opferentschädigungsgesetz-Novelle untergebracht waren, einzusetzen. Denkbar hierfür wäre z.B. eine Fondslösung oder eine Berücksichtigung im SGB XIV;
4. dafür Sorge zu tragen, dass den Betroffenen, sofern möglich, direkt oder über die Öffentlichkeit durch die zuständigen Behörden Gesprächsangebote unterbreitet werden.

Sofia Leonidakis, Nelson Janßen und Fraktion DIE LINKE
Petra Krümpfer, Birgitt Pfeiffer, Jasmina Heritani, Mustafa Güngör und Fraktion der SPD
Sahhanim Görgü-Philipp, Björn Fecker und Fraktion BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN