Pressekonferenz

Strategiepapier der Linksfraktion: Wirtschaftliche Erholung nach der Covid-19-Pandemie

Nach der Krise kommt der Aufschwung. Aber es wird nicht wieder wie vorher, und der Aufschwung ist keine harmlose Sache. Unter den Bedingungen kapitalistischer Konkurrenz entscheidet gerade die Phase der wirtschaftlichen Erholung darüber, ob Unternehmen, Regionen und Beschäftigte profitieren oder abgehängt werden. Wie dieser Prozess sich gestaltet und wem er zugutekommt, folgt aber keinem wirtschaftlichen „Naturgesetz“, sondern wird von der Politik entscheidend beeinflusst. Wir wollen daher als Fraktion aktiv die Weichen für eine wirtschaftliche Erholung in Bremen stellen, die nachhaltig und sozial gerecht ist. Eines unserer wichtigsten Ziele ist, dass die Effekte der wirtschaftlichen Erholung nach der Corona-Pandemie bestehende Ungleichheiten nicht noch weiter verschärfen, sondern genutzt werden, um sie zu überwinden. Profitieren sollen davon insbesondere die „Verlierer:innen“ der Krise, die einen Großteil der Last der Pandemie geschultert haben. Dazu zählen Frauen, Eltern mit Kindern, insbesondere Alleinerziehende, Geringverdiener:innen, Pflegekräfte, Künstler:innen, Soloselbstständige, kleine Unternehmen und nicht zuletzt Migrant:innen.

Eine Krise ist ein guter Zeitpunkt, um aufgeschobene und notwendige soziale, ökologische und wirtschaftliche Reformen umzusetzen. Spätestens jetzt ist klar: Klimaneutralität und Digitalisierung müssen in Bremen noch schneller vorangetrieben werden. Der Pflegesektor muss ausgebaut werden, nicht nur aufgrund des demografischen Wandels, sondern weil Pflege in neuer Weise in den Mittelpunkt von Gesundheitspolitik gehört. Künstliche Intelligenz muss in Bremen stärker erforscht und nutzbar gemacht werden. Die Bildungsschere müssen wir schließen, ebenso die Ausbildungslücke.

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Unsere wichtigsten Punkte für eine wirtschaftliche Erholung nach der Pandemie:

1. Für eine geschlechtergerechte Konjunkturpolitik
Schon jetzt zeichnet sich ab, dass Frauen und queere Menschen von den Konjunkturprogrammen im Bund und der EU weniger profitieren werden als Männer: Frauen* sind häufiger prekär beschäftigt, arbeiten im Dienstleistungssektor, der sich durch Digitalisierung zunehmend verändert. Bei der Digitalisierung aber liegen Frauen* hinter den Männern zurück (der „Digital Gender Gap“), und dadurch besteht die Gefahr, dass Digitalisierung bestehende Ungleichheiten verstärkt, der Gender Pay Gap größer wird und Frauen* von beruflichen Aufstiegschancen ausgeschlossen werden. Branchen mit hohem Frauenanteil stehen schon jetzt unter einem hohen Anpassungsdruck, zu nennen sind hier der Einzelhandel, die Hotellerie und Gastronomie. Die ungleich verteilte Care-Arbeit stellt zudem ein weiteres Hindernis für Frauen* in ihrem Arbeitsleben dar – mehr Homeoffice macht die Sache nicht besser, wenn es ungeregelt und chaotisch erfolgt.

Wir fordern: flexible und kostenfreie Betreuungsangebote für berufstätige Mütter. Pflegende Angehörige sollen mithilfe von verbesserten Angeboten der ambulanten Pflege sowie der Tagespflege entlastet werden. Dass beim Bremen-Fonds für alle Maßnahmen die Auswirkungen auf Frauen* untersucht werden, ist wichtig und muss für die Zukunft ein zentrales Kriterium bleiben. Dabei darf aber die grundsätzliche Forderung nicht verloren gehen, die Mittel des Bremen-Fonds insgesamt geschlechtergerecht einzusetzen und zu verteilen. Gender Budgeting ist kein Zusatz, sondern der Anspruch auf mindestens 50:50.

2. Bildung und Ausbildung weiter verbessern
Digitalisierung und der Trend zur Creative Economy verlangen Arbeitnehmer:innen immer mehr Wissen und Flexibilität ab. Umso wichtiger ist es, dass die Politik ihnen die Möglichkeit bietet, sich optimal auf das Arbeitsleben vorzubereiten und im Berufsleben Qualifizierungsangebote zu nutzen. Unser Augenmerk gilt dabei insbesondere denjenigen, die derzeit schwerer auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen und die keine privaten Ressourcen dafür einsetzen können, mit der Veränderung Schritt zu halten: Jüngere, Ältere, Alleinerziehende und Menschen mit familiären Verpflichtungen oder gesundheitlichen Einschränkungen. Insbesondere wollen wir die Chancen derer verbessern, die keine Ausbildung absolviert haben.      
Wir fordern: gute Schulbildung durch eine Stärkung der Schulen in benachteiligten Stadtteilen und mehr Ausbildungsplätze. Dafür wollen wir nach Ende der Pandemie die Ausbildungsumlage auf den Weg bringen. Außerdem brauchen wir mehr innovative Arbeitsmarktprogramme, etwa geförderte Teilzeitbeschäftigung und -ausbildungen für Alleinerziehende. Gleichzeitig müssen wir den sozialen Arbeitsmarkt ausbauen, vor allem in den Quartieren, um auch auffangende Beschäftigung zu schaffen. Für gute Beschäftigung brauchen wir außerdem einen starken öffentlichen Sektor und eine Reform des Tariftreue- und Vergabegesetzes. Der Markt allein kann es nun mal nicht richten.

3. Der Gesundheitssektor und Care-Arbeit müssen gestärkt werden
Bremen soll einen Schwerpunkt auf den Ausbau der Gesundheits- und Pflegewirtschaft setzen – über die Maßnahmen zur Stärkung von Krankenhäusern und Öffentlichem Gesundheitsdienst hinaus. Dafür treiben wir weiter die Einrichtung des Clusters Gesundheitswirtschaft und Pflege voran, den Aufbau des Gesundheitscampus, Modellprojekte zu Vereinbarkeit und Arbeitszeitmodellen, weitere Profilierung in den Bereichen Public Health/Sozialmedizin sowie Impulse für Vernetzung und Wissenstransfer zwischen wissenschaftlichen Akteur:innen.

4. Endlich anders wirtschaften
Bremen muss einen größeren Beitrag zur Verhinderung der Klimakrise leisten. Weniger Rohstoffe verbrauchen ist der schnellste Weg zur Klimaneutralität – dieses Ziel können wir mit einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft noch schneller erreichen. Außerdem muss Strom klimafreundlich gewonnen werden, Wasserstoff soll die Klimakiller Kerosin und Kohle ersetzen. In diesen Bereichen sind schon einige große Projekte über den Bremen-Fonds angestoßen worden.
Dennoch fordern wir: Nachhaltige Geschäftsmodelle müssen noch mehr gefördert werden. Zudem brauchen wir eine krisenfeste Wirtschaftslandschaft mit anpassungsfähigen KMU statt großen Konzernen. Bereits bestehende kleine Unternehmen wollen wir noch stärker bei der Digitalisierung unterstützen, z. B. bei Unternehmens-gründungen, dem Aufbau von Netzwerken, Bildungsressourcen und kulturellem Kapital. Ein besonderes Augenmerk legen wir auf Genossenschaften und Social Entrepreneurship. Spezifische Zugangshindernisse und Diskriminierungen müssen angegangen und überwunden werden. Einseitige, nachteils- und defizitorientierte Ansätze in der Arbeitsförderung müssen abgestellt werden.

5. Transformation geht nur mit den Beschäftigten
Der sozial-ökologische Umbau klappt nur, wenn er von einer Mitbestimmungs- und Mitgestaltungsoffensive begleitet wird. Wenn Veränderungsprozesse von Unternehmen, Beschäftigten und Politik gemeinsam gestaltet werden müssen – und diese Notwendigkeit ist in der Pandemie sehr deutlich geworden, – dann brauchen alle Beteiligten Rechte und Strukturen, auf die sie sich stützen können. Mit einer deregulierten Betriebslandschaft, in der Tarifbindung, Flächentarife und Betriebsräte teilweise schon mehr die Ausnahme als die Regel geworden sind, ist das nicht zu machen. Hier erwarten wir auch Initiativen des Senats auf Bundesebene, um die Rechte von Beschäftigten und Gewerkschaften zu stärken, wenn es um neue Arbeitsformen, Digitalisierung, Strukturwandel und Qualifizierung geht.

6. Gesundheitscampus, JUB und Co.
Anders wirtschaften heißt auch anders studieren: Für den Schwerpunkt Gesundheit und Pflege brauchen wir einen eigenständigen Gesundheitscampus. Auch der Forschung zur Künstlichen Intelligenz (KI) wollen wir in der Bremer Hochschullandschaft mehr Platz einräumen. Wir wollen jedoch nicht nur Geschäftsideen mit Rekordgewinnen à la Facebook fördern, sondern diese Technologie auch ethisch begleiten. Dafür ist die lange Tradition einer Verknüpfung der Themenfelder Gesellschaft und Informatik an den Bremischen Hochschulen zu pflegen und auszubauen.
Wir fordern: die Einrichtung berufsbegleitender Technikstudiengänge in Mangelfächern, um gezielt Handwerker:innen und Facharbeiter:innen eine Studienaufnahme zu ermöglichen. Die Jacobs University Bremen (JUB) braucht schnell ein tragfähiges Konzept, um ohne weitere öffentliche Gelder auszukommen. Der Campus könnte sich künftig als Hochschule für Public Health oder für anwendungsorientierte KI profilieren.

7. Die Stadtteile in den Neustart miteinbeziehen
Die wirtschaftliche Erholung und Transformation kann nur gelingen, wenn sie in der ganzen Breite der Stadtgesellschaft verankert ist und auch von dort aus angestoßen wird. Die Bremer Beiräte sind hierfür zentral. Sie müssen wir stärker an der wirtschaftlichen Weichenstellung nach Corona beteiligen.         
Wir fordern: Fünf Prozent der Summe, die im Bremen-Fonds für langfristige Transformationsprojekte vorgesehen sind, sollen für Vorschläge aus den Beiräten für ihren jeweiligen Stadtteil reserviert werden. Die Anträge sollen in der zweiten Tranche berücksichtigt werden.