Berücksichtigung besonderer Schutzbedarfe bei der Unterbringung und Umverteilung aus Bremen
Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE: Die Unterbringung von Asylsuchenden und anderen Geflüchteten stellt das Land Bremen derzeit vor extreme Herausforderungen. Derzeit müssen so viele Menschen in und nach Europa fliehen, wie zuletzt in den Jahren 2015 und 2016. Wichtige Faktoren sind etwa der russische Angriffskrieg und die in diesem Rahmen verübte Terrorkampagne gegen zivile Infrastruktur, die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan, der Krieg und die Diktatur in Syrien und die wiederholten völkerrechtswidrigen türkischen Angriffe auf die kurdischen Gebiete in Nordsyrien.
Die Unterbringung von Asylsuchenden und anderen Geflüchteten stellt das Land Bremen derzeit vor extreme Herausforderungen. Derzeit müssen so viele Menschen in und nach Europa fliehen, wie zuletzt in den Jahren 2015 und 2016. Wichtige Faktoren sind etwa der russische Angriffskrieg und die in diesem Rahmen verübte Terrorkampagne gegen zivile Infrastruktur, die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan, der Krieg und die Diktatur in Syrien und die wiederholten völkerrechtswidrigen türkischen Angriffe auf die kurdischen Gebiete in Nordsyrien.
Derzeit ist die Unterbringung von Geflüchteten in geeigneten Unterkünften schwierig zu bewerkstelligen, da keine nachhaltige Unterbringungsstruktur geschaffen wurde, die stark steigende Zugangszahlen, wie sie für Fluchtbewegungen periodisch typisch sind, aufnehmen kann. Auch und gerade in Zeiten von Notunterkünften ist es wichtig, dass Gewaltschutz und die Berücksichtigung von besonderen Schutzbedarfen nicht zu kurz kommen. Denn insbesondere bei forcierten Anstrengungen, Geflüchtete Menschen umzuverteilen, müssen besondere Schutzbedarfe berücksichtigt werden.
Nach Artikel 21 der EU-Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU gelten besondere Schutzbedarfe für Minderjährige, unbegleitete Minderjährige, Behinderte, Ältere, Schwangere, Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern, Opfer des Menschenhandels, Personen mit schweren körperlichen Erkrankungen, Personen mit psychischen Störungen oder Erkrankungen, und Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben. Da diese Schutzbedarfe auch für die Unterbringung und ggf. die Umverteilung bedeutend sind, müssen diese nach EU-Richtlinie auch außerhalb des Asylverfahrens durch den Staat erhoben werden.
Während in Deutschland in der Rechtsprechung flächendeckend von einer ausreichenden, insbesondere medizinischen Versorgung ausgegangen wird, muss gegebenenfalls im Einzelfall geprüft werden, ob die konkrete Situation eines Menschen einer bestimmte Unterbringungsform bedarf oder Gründe gegen eine Umverteilung vorliegen. Auch nach Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Bremen können auch gesundheitliche Gründe zwingend gegen eine Umverteilung sprechen.
Im Dezember 2021 wandte sich der Runde Tisch für die psychiatrische, psychotherapeutische und psychosoziale Versorgung von Geflüchteten an den Senat, um auf die prekäre Lage von unbegleiteten Minderjährigen in Bremen aufmerksam zu machen. In einem Positionspapier wurde geschildert, dass die gesundheitlichen Einwände durch Fachpersonal für Umverteilungsprozesse nicht berücksichtigt werden, wodurch die minderjährigen Klient*innen in psychische, mitunter suizidale, Krisen getrieben werden. Regelmäßig werden so stationäre Klinikaufenthalte notwendig und die Beratungs- und Fachkrisendienste müssen diese suizidalen Krisen auffangen.
Das gesundheitliche Wohlbefinden von Minderjährigen Geflüchteten ist nicht nur menschlich geboten, sondern auch das normierte Recht der Betroffenen. Wir fragen daher nach der Situation der minderjährigen Geflüchteten und den fachlichen Einschätzungen des Senats zu möglichen gesundheitlichen Folgen der derzeitigen Umverteilungspraxis.
Auch wurden Befürchtungen geäußert, dass die Feststellung besonderer Schutzbedarfe in Bremen nicht ausreichend erfolge. Systematisch erheben dies in der Tat lediglich die Länder Berlin, Brandenburg und Niedersachsen, während in Bremen, wie in anderen Bundesländern auch, die externe Versorgungsstruktur ausgebaut wird. Diese externen Versorgungsstrukturen sind aber scheinbar nicht systematisch an der Unterbringung oder Verteilung der Betroffenen beteiligt.
Wir fragen den Senat:
1. Welche Unterkünfte werden in der Freien und Hansestadt Bremen betrieben und nach welchen baulichen Merkmalen (Apartments, Gemeinschaftsküchen oder gemeinschaftliche sanitäre Räume) werden sie unterschieden (bitte die Unterkünfte unter Nennung aller Merkmale aufschlüsseln)?
2. Wie sind die Unterkünfte aktuell belegt (bitte aufschlüsseln nach Alter, Familienstand, Staatsangehörigkeit, durchschnittliche und mediane Aufenthaltsdauer, besondere Schutzbedarfe gemäß EU-Richtlinie 2013/33/EU)?
3. Nach welchen Kriterien werden Menschen, die in der Erstaufnahmestelle oder einer Gemeinschaftsunterkunft wohnen, einem Unterbringungsplatz zugewiesen und wo sind diese Kriterien festgehalten?
4. Welche Informationen zur Person hinsichtlich besonderer Schutzbedarfe werden wie erhoben und wie werden Bedarfe hinsichtlich psychischer Erkrankungen erhoben und durchgesetzt (bitte gesondert nach den dargestellten Schutzbedarfen darstellen)?
5. Welche finanziellen und personellen Mittel wendet der Senat für die Feststellung und Berücksichtigung besonderer Schutzbedarfe auf (bitte auch gesondert nach den dar-gestellten Schutzbedarfen darstellen)?
6. Wie werden besondere Schutzbedarfe von Geflüchteten im Rahmen der Unterbrin-gung ermittelt bzw. festgestellt (bitte gesondert nach den dargestellten Schutzbedar-fen darstellen)?
7. Wie werden besondere Schutzbedarfe von Geflüchteten im Rahmen des Umvertei-lungsprozesses ermittelt bzw. festgestellt (bitte gesondert nach den dargestellten Schutzbedarfen darstellen)?
8. Wie lauten die aktuellen Erlasse und Arbeitsanweisungen zur Erfassung und zum Umgang mit Schwangerschaften in der ZASt, sowohl was die Unterbringung, die Feststellung einer Risikoschwangerschaft und die Umverteilung, aber auch die Ver-sorgung anbelangt, im Wortlaut und welche vergangenen Erlasse und Arbeitsanwei-sungen gab es seit 2010 (bitte anhängen)?
9. Welche Absprachen und Arbeitsteilungen bestehen zwischen Gesundheitsamt und Sozialbehörde?
10. Von welchen – auch externen – Stellen erhält die ZASt personenbezogene Daten von Personen mit besonderen Schutzbedarfen, an welche Stellen werden personenbezogene Daten weitergegeben und auf welchem Wege erfolgt die Übertragung sensibler Daten?
11. Welche Stelle bei der ZASt verarbeitet diese Daten und wie werden diese in den Um-verteilungs- und Unterbringungsprozess eingebracht?
12. Wie wird dabei den Datenschutzrechten der Betroffenen Personen Rechnung getragen, insbesondere in Hinblick auf die besonderen Arten personenbezogener Daten nach DSGVO?
13. Welche besonderen Schutzbedarfe sprechen regelmäßig oder unter welchen be-stimmten Bedingungen gegen eine Umverteilung (bitte gesondert nach den darge-stellten Schutzbedarfen darstellen)?
14. Welche gesundheitlichen Einschränkungen sprechen in der Regel gegen eine Um-verteilung bei UmA und/oder bei Volljährigen?
15. In welchen Fällen steht eine psychologische oder anderweitig gesundheitliche Behandlung einer Umverteilung im Wege?
16. Bei wie vielen Umverteilungsverfahren von unbegleiteten minderjährigen Geflüchte-ten seit 2019 wurden gesundheitliche Hemmnisse in Form von psychischen Erkrankungen vorgetragen?
a. Bei wie vielen umF wurde in der Folge zunächst eine Sachverhaltsaufklärung nach § 24 BremVwVfG und Gehörsgewährung nach § 28 BremVwVfG durchgeführt?
b. In wie vielen Fällen wurde auf die Umverteilung verzichtet?
17. In wie vielen Fällen seit 2019 wurde die Umverteilung nach einem Vortrag von Sach-verhalten zu psychischen Erkrankungen der Betroffenen, die einer Umverteilung aus Sicht von Fachpersonal entgegenstanden, dennoch verfolgt, abgebrochen oder aus anderen Gründen abgebrochen (bitte aufschlüsseln)?
18. Bei wie vielen der Umverteilungen nach dem VILA- bzw. EASY-Verfahren seit 2019 wurden gesundheitliche Hemmnisse in Form von körperlichen oder psychischen Erkrankungen vorgetragen und bei wie vielen Personen wurde in der Folge keine Um-verteilung vorgenommen?
19. In wie vielen der in Frage 15 genannten Fälle wurde
a. Beschwerde vor dem Verwaltungsgericht Bremen eingelegt und wie entschied das Gericht jeweils?
b. die Anwendung unmittelbaren Zwangs angedroht oder vollzogen?
20. Wie viele der in Frage 17 benannten Beschlüsse wurden auf wessen Initiative mit welchem Ausgang vor dem Oberverwaltungsgericht geprüft (bitte aufschlüsseln)?
21. Sind dem Senat Fälle bekannt, demnach Minderjährige der Umverteilungsaufforderung nicht nachkamen und ohne Unterstützung und Unterkunft in Bremen verblieben oder wiederkehrten?
22. Wie viele suizidale Krisen, Suizidversuche und Suizide sind dem Senat seit 2010 nach der Ankündigung oder Durchführung einer Umverteilung bekannt geworden, wie erhebt der Senat diese Daten?
Sofia Leonidakis, Dariush Hassanpour, Maja Tegeler, Cindi Tuncel, Nelson Janßen und Fraktion DIE LINKE