Femizide im Land Bremen
Große Anfrage der Fraktionen DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen und der SPD: In den vergangenen Monaten gab es im Land Bremen mehrere Meldungen über Tötungen und versuchte Tötungen von Frauen. So wurde beispielsweise im Mai 2023 eine Frau von einem Mann, mit dem sie eine Liebesbeziehung unterhielt, im Rahmen einer Auseinandersetzung getötet. Dabei soll er sie zu Tode gewürgt haben. Im September 2023 wurde eine Frau von ihrem getrenntlebenden Ehemann mit einem Messer lebensgefährlich verletzt. Zuletzt wurde im Dezember 2023 eine 23-jährige Frau von ihrem älteren Bruder mit einem Küchenmesser erstochen, weil er laut der Bremer Staatsanwaltschaft mit ihrem Lebensstil nicht einverstanden gewesen sei.
In den vergangenen Monaten gab es im Land Bremen mehrere Meldungen über Tötungen und versuchte Tötungen von Frauen. So wurde beispielsweise im Mai 2023 eine Frau von einem Mann, mit dem sie eine Liebesbeziehung unterhielt, im Rahmen einer Auseinandersetzung getötet. Dabei soll er sie zu Tode gewürgt haben. Im September 2023 wurde eine Frau von ihrem getrenntlebenden Ehemann mit einem Messer lebensgefährlich verletzt. Zuletzt wurde im Dezember 2023 eine 23-jährige Frau von ihrem älteren Bruder mit einem Küchenmesser erstochen, weil er laut der Bremer Staatsanwaltschaft mit ihrem Lebensstil nicht einverstanden gewesen sei.
Femizide sind keine tragischen Einzelfälle, sondern Ausdruck von extremer patriarchaler Gewalt. Frauen werden getötet, weil sie Frauen sind und sexistischen Rollen- und Verhaltenserwartungen nicht entsprechen. Die weltweit häufigste Form des Femizids ist die Tötung einer Frau im Rahmen von Partnerschaftsgewalt. Die Täter sind dabei überwiegend männlich. Verschiedene Studien zeigen, dass einem Femizid oft eine langjährige, gewaltvolle Beziehung vorausgeht, in welcher der männliche Partner dominiert und kontrolliert. Das Risiko eines Femizids ist dann am höchsten, wenn die Frau sich aus einer gewaltvollen Beziehung löst und vom Partner trennt, was einen Kontrollverlust des Mannes mit sich zieht.
Das aktuelle Lagebild „Häusliche Gewalt“ des Bundeskriminalamtes (BKA) zeigt, dass in Deutschland jede Stunde mehr als 14 Frauen Opfer von Partnerschaftsgewalt werden. Das häusliche Umfeld ist, statistisch betrachtet, der gefährlichste Ort für Frauen. Wie häufig es zu Femiziden kommt, lässt sich nicht genau beziffern. Bisher gibt es im deutschen Strafrecht keinen eigenen Femizid-Tatbestand und es gibt auch kein systematisches Monitoring von Femiziden. Das Lagebild „Häusliche Gewalt“ bietet jedoch zumindest einen groben Anhaltspunkt zur Anzahl von Femiziden. Rund jeden dritten Tag wurde laut BKA 2022 eine Frau von ihrem (Ex-)Partner getötet, fast jeden Tag wurde versucht, die (Ex-)Partnerin zu töten.
Um Gewalt gegen Frauen wirksam zu bekämpfen, wurde 2011 die Istanbul-Konvention verabschiedet – Deutschland ist der Konvention als eines der ersten Länder beigetreten. Bremen hat zur Umsetzung der Istanbul-Konvention in 2022 einen Aktionsplan mit 75 Maßnahmen verabschiedet. Seitdem wurden viele Maßnahmen auf den Weg gebracht. Trotzdem steigt auch in Bremen regelmäßig die statistisch erfasste Gewalt gegen Frauen. Die Anzahl der Opfer von häuslicher Gewalt ist zwar im Gegensatz zum Bundestrend von 2021 auf 2022 leicht gesunken – die Zahl der Opfer von Vergewaltigungen, sexuellen Nötigungen beziehungsweise Übergriffen ist jedoch das dritte Jahr in Folge gestiegen. Dabei sind die Dunkelziffern bei diesen Delikten besonders groß. Laut den Kernbefunden der Sicherheitsbefragung im Land Bremen 2022 lag die mittlere Anzeigequote von Personen, die sexuell missbraucht oder vergewaltigt wurden, bei nur 7,6 Prozent, im Falle sexuellen Missbrauchs oder Vergewaltigung durch den (Ex-)Partner gar bei 0,0 Prozent. Und auch die oben benannten Fälle weisen darauf hin, dass es immer wieder zu Tötungen von Frauen aufgrund ihres Geschlechts und der patriarchalen Verhältnisse in unserer Gesellschaft kommt. Marginalisierte Frauen sind dabei besonders häufig von patriarchaler Gewalt betroffen. Frauen mit Behinderungen erleben beispielsweise zwei bis dreimal häufiger Gewalt als der Bevölkerungsdurchschnitt. Auch geflüchtete sowie wohnungslose und obdachlose Frauen, Sexarbeiter:innen oder Trans*Frauen sind häufiger Opfer von meist männlichen Tätern.
Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat:
1. Wie viele Frauen sind nach Kenntnis des Senats durch ihren aktuellen oder ehemaligen Partner in den letzten fünf Jahren im Land Bremen zu Tode gekommen? (Bitte nach Jahr und wenn möglich Tatbestand − Totschlag, Mord, Körperverletzung mit Todesfolge – aufschlüsseln.)
2. Wie viele versuchte Tötungen an Frauen durch ihren aktuellen oder ehemaligen Partner gab es im Land Bremen in den letzten fünf Jahren?
3. Hat der Senat Kenntnis über (versuchte) Tötungen von Frauen außerhalb von (Ex-)Partnerschaften in den vergangenen fünf Jahren im Land Bremen, die als Femizid einzuordnen sind?
4. In wie vielen Fällen der Verfahren zu den Fragen 1 bis 3 hat die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben? In wie vielen Fällen liegen Verurteilungen vor wegen einer vollendeten oder versuchten Tat? Wie viele Personen wurden für die (versuchte) Tat verurteilt?
5. In welcher Form werden Daten zu Tatmotiven zu den Fragen 1 bis 3 erhoben und ausgewertet und sieht der Senat hier weiteren Handlungsbedarf?
6. Wie viele Fälle gab es aus den Fragen 1 bis 3, die im sogenannten Hochrisiko-Management bearbeitet wurden?
7. Wie ist das Hochrisiko-Management derzeit aufgestellt, welche Stellen und Akteure werden dabei einbezogen?
8. In wie vielen der als Femizid oder versuchten Femizid einzustufenden Taten der letzten fünf Jahre wurde zuvor gerichtlich ein Annäherungsverbot ausgesprochen?
9. In wie vielen der als Femizid oder versuchten Femizid einzustufenden Taten der letzten fünf Jahre wurde zuvor polizeilich eine Wohnungsverweisung ausgesprochen?
10. In wie vielen der als Femizid oder versuchten Femizid einzustufenden Taten der letzten fünf Jahre fand zuvor gemäß Bremischem Polizeigesetz eine Datenübermittlung an eine Beratungsstelle statt und inwieweit fand eine Beratung statt?
11. Welche Präventions- und Unterstützungsangebote gibt es für potenzielle Opfer und Täter in Bremen und Bremerhaven, um Femizide im Vorfeld zu verhindern, wie werden diese angenommen und sind diese nach Ansicht des Senats bedarfsdeckend?
12. Welche Maßnahmen trifft oder plant der Senat, um für das Thema geschlechtsspezifische Gewalt und Femizide, Warnsignale und gesellschaftliche Hintergründe zu sensibilisieren und hier präventiv entgegenzuwirken?
13. Wie werden besonders vulnerable Gruppen (beispielsweise Sexarbeiter:innen, Frauen mit Behinderung, wohnungslose und obdachlose Frauen, geflüchtete Frauen, Trans*Frauen) im Land Bremen wirksam vor patriarchaler Gewalt geschützt? Welche Maßnahmen befinden sich gegebenenfalls derzeit in Planung?
14. Wie werden verschiedene mit der Thematik befasste Berufsgruppen (beispielsweise Richter:innen, Polizist:innen, Lehrer:innen, Sozialarbeiter:innen) sensibilisiert und systematisch geschult, um das Bewusstsein für Gewalt gegen Frauen und Femizide sowie den Schutz von Betroffenen zu schärfen? Welche Fortbildungen sind in den letzten fünf Jahren diesbezüglich im Land Bremen durchgeführt worden? (Bitte nach Jahr, Berufsgruppe, Inhalt und Anzahl der Teilnehmenden aufschlüsseln.)
Maja Tegeler, Nelson Janßen, Sofia Leonidakis und Fraktion DIE LINKE
Sahhanim Görgü-Philipp, Michael Labetzke, Dr. Henrike Müller und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Selin Arpaz, Kevin Lenkeit, Dr. Hubertus Hess-Grunewald, Katharina Kähler, Medine Yildiz, Mustafa Güngör und Fraktion der SPD