Sültenfuß: Ersatzfreiheitsstrafen sind rechtsstaatlich höchst fragwürdig und kontraproduktiv!
An diesem Montag kommt der Rechtsausschuss der Bremischen Bürgerschaft zu einer Sondersitzung zusammen, um über die Situation in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Bremen zu beraten. Die Senatorin für Justiz hatte Mitte Juni mitgeteilt, bis zum 15. Oktober keine Ersatzfreiheitsstrafen zu vollstrecken, sollten diese währenddessen nicht verjähren. Der Grund hierfür ist die Überbelegung der JVA.
Ersatzfreiheitsstrafen werden dann verhängt, wenn Menschen, die eigentlich gar nicht zu Freiheitsstrafen verurteilt worden sind, verhängte Geldstrafen nicht zahlen können. In der JVA Bremen verbüßen aktuell etwa 40 Menschen eine Ersatzfreiheitsstrafe.
Tim Sültenfuß, justizpolitischer Sprecher der Linksfraktion in der Bremischen Bürgerschaft, stellt klar: „Nicht die befristete Aussetzung des Vollzugs ist das Problem, wie die CDU uns weismachen will, sondern dass überhaupt Ersatzfreiheitsstrafen vollstreckt werden: Ersatzfreiheitsstrafen belegen Delikte mit Haft, die weder nach Gesetz noch durch ein Strafverfahren mit dieser Strafe belegt wären. Betroffen sind häufig arme Menschen. Sie können die verhängten Geldstrafen schlicht nicht zahlen.“
Alternativen zur Ersatzhaft gebe es bereits: „Pfändungen und Zwangsvollstreckungen können schon heute eingesetzt werden. Auch gemeinnützige Arbeit kann ein Ausweg sein“, sagt Sültenfuß. „Die Haftstrafen aber kosten nicht nur die Steuerzahler*innen Millionen Euro, sondern unterbrechen auch unnötig den Alltag von Menschen, die bereits in prekären Situationen leben. Sie können dadurch schlimmstenfalls Wohnung und Arbeit verlieren. Ersatzfreiheitsstrafen sind kein Rezept für Resozialisierung, sondern rechtsstaatlich höchst fragwürdig und kontraproduktiv!“
Die Bremische Bürgerschaft hatte sich schon mehrfach kritisch mit der Praxis der Ersatzfreiheitsstrafen auseinandergesetzt. Bundesgesetzlich wurde vor kurzem der Umrechnungsmaßstab (Hafttage pro ausstehende Geldstrafe) halbiert. Sültenfuß: „Trotz der Bremischen Regelungen, die auf Vermeidung der Ersatzfreiheitsstrafen ausgerichtet sind, sitzen Dutzende Menschen in der Bremer JVA, weil sie arm sind. Deshalb finde ich die Aussetzung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen völlig richtig, sie sollte aus unserer Sicht noch umfassender angeordnet werden. Denn jede nicht vollstreckte Ersatzfreiheitsstrafe ist gut für die Betroffenen, die Steuerzahler*innen, die Situation in der JVA und somit ein Gewinn für alle.“
In Dänemark gibt es für arme Menschen keine Ersatzfreiheitsstrafen, in Schweden wurde sie de facto abgeschafft. „Was andere Länder in Europa können, können wir auch“, sagt Sültenfuß. „Es darf in Deutschland nicht unter Freiheitsstrafe stehen, arm zu sein. Deshalb müssen die Regelungen zur Ersatzfreiheitsstrafe ersatzlos gestrichen werden!“