Zukunft der Gesundheitsversorgung sichern: Ausbildung der Gesundheitsfachberufe im Land Bremen attraktiv und modern gestalten
Die Antwort des Senats auf eine Anfrage der Linksfraktion in der Fragestunde der Bremischen Bürgerschaft zur Ausbildungssituation der Gesundheitsfachberufe zeigt alarmierende Defizite auf. Insbesondere in der Pflege, bei den Hebammen sowie im Bereich der medizinischen Technologie Laboratoriumsanalytik reichen die derzeitigen Ausbildungszahlen nicht aus, um die bestehenden und zukünftigen Personalbedarfe zu decken.
Nelson Janßen, gesundheitspolitischer Sprecher der Linksfraktion Bremen, dazu: „Obwohl wir die Ausbildungskapazitäten beispielsweise in der Pflege im Land Bremen zuletzt steigern konnten, bleiben wir mit den derzeitigen Kapazitäten hinter dem Bedarf zurück. In diesem Jahr hat der Zwei-Städte-Staat beispielsweise 622 Auszubildende in der Pflegefachkraftausbildung, notwendig wären eigentlich etwa 800 bis 850 Auszubildende. Wenn wir dieser Entwicklung jetzt nicht entschieden entgegenwirken, bewegen wir uns auf einen Kipppunkt in der Pflege zu, wo mehr Pflegekräfte aus dem Beruf ausscheiden als einsteigen werden. Auch in anderen Bereichen wie der Hebammenversorgung bestehen bereits Versorgungsdefizite auf Grund fehlender Fachkräfte.
Um hier gegenzusteuern, braucht es neben der Erhöhung von Ausbildungskapazitäten und der Gewinnung von ausreichend Lehrkräften für die Ausbildungsgänge insbesondere modernere und attraktivere Ausbildungsbedingungen im Land Bremen. Zentral ist hierfür unter anderem die schnellstmögliche Umsetzung der geplanten Ausbildungsakademie der Gesundheit Nord (GeNo), welche die Ausbildung verschiedener Gesundheitsfachberufe künftig an einem Ort bündeln soll. Dadurch wird eine fachübergreifende Ausbildung möglich, die dazu beiträgt, Hierarchien zwischen verschiedenen Gesundheitsfachberufen abzubauen und die Zusammenarbeit zu fördern. Dies ist auch für die Versorgungspraxis relevant, wo inzwischen Konsens darüber besteht, dass das Nebeneinanderher-Arbeiten verschiedener Gesundheitsberufe eine gut aufeinander abgestimmte Versorgung von Patient*innen verhindert. Die Anbindung der Akademie an das Klinikum Bremen-Mitte (KBM), ein Krankenhaus der Maximalversorgung, ermöglicht den Auszubildenden zudem, während ihrer Ausbildung praktische Erfahrungen in verschiedenen Bereichen der Versorgung von Patient*innen zu sammeln.
Es ist nun an der Zeit, die notwendigen Schritte zur Umsetzung der Ausbildungsakademie einzuleiten, um die Ausbildung der Gesundheitsfachberufe im Land Bremen modern und attraktiv zu gestalten.“
Hier ist die Senatsantwort einsehbar:
Die Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz L 23
Vorlage für die Sitzung des Senats am 10.12.2024
„Ausbildungssituation von Gesundheitsfachberufen im Land Bremen“
Die Fraktion DIE LINKE hat für die Fragestunde der Bürgerschaft (Landtag) folgende Anfrage an den Senat gestellt:
Wir fragen den Senat:
1. Wie hoch ist der Bedarf an Personal in den Gesundheitsfachberufen im Land Bremen in den kommenden Jahren?
2. Kann dieser Bedarf derzeit über die aktuellen Ausbildungszahlen in den einzelnen Gesundheitsfachberufen im Land Bremen gedeckt werden?
3. Wie muss die Ausbildung der Gesundheitsfachberufe künftig im Land Bremen nach Ansicht des Senats organisiert werden, damit der Personalbedarf in den Gesundheitsfachberufen im Land Bremen gedeckt werden kann?
Auf die vorgenannte Anfrage wird dem Senat folgende Antwort vorgeschlagen:
Zu Frage 1: Laut Gesundheitsberufemonitoring 2021 wird im Pflegefachkraftbereich von einem steigenden Bedarf von zum Erhebungszeitpunkt 9.400 Beschäftigten auf 9.850 im Jahr 2025, 10.100 im Jahr 2030 und 10.350 im Jahr 2035 ausgegangen. Der Bedarf an Pflegehilfskräften ist ebenfalls ansteigend. Es besteht laut Landespflegebericht ein Mehrbedarf an ausgebildeten Pflegehilfskräfte von 3 VK je Pflegeheim (d.h. ca. 291
bei 97 Heimen im Jahr 2021).
In den Therapieberufen ist ein leicht steigender Bedarf im Bereich der Physiotherapie von 1.585 in 2025 auf 1.630 im Jahr 2035 zu erwarten. In der Ergotherapie wird ein ebenfalls leicht steigender Bedarf von 540 auf 555 Vollzeitäquivalenten und in der Logopädie keine wesentliche Bedarfsänderung erwartet.
Für den Bereich der Anästhesietechnischen Assistenz und der Operationstechnischen Assistenz kann keine valide Aussage getroffen werden, da die Erfassung der Fachkräftesituation für beide Berufe aufgrund der erst 2022 in Kraft getretenen bundesgesetzlichen Regelung erst für das nächste Folgegutachten vorgesehen sind.
Das Gesundheitsberufemonitoring 2021 hat eine Unterversorgung mit Hebammenleistungen, wie auch die Untersuchung der nachgeburtlichen Versorgung, verdeutlicht. Insgesamt aber ist bei einer mittleren Geburtenrate ein leicht sinkender Bedarf an Hebammen zu erwarten. Konkret handelt es sich um 295 Vollzeitäquivalente in 2025 auf 275 im Jahr 2035.
Im Bereich der Medizinischen Technologie Laboratoriumsanalytik wird sich in den kommenden Jahren ein hoher Bedarf an Personal entwickeln. Es werden Medizinische Technlog:innen Labor in der Größenordnung von 625 im Jahr 2025 bis 645 im Jahr 2035 benötigt. Gleichzeitig wird eine steigende Zahl von Personen altersbedingt den
Beruf verlassen.
Ein ähnliches Bild, aber mit geringerer Ausprägung, zeigt sich im Bereich der Medizinischen Technologie Radiologie. Hier wird der Bedarf von 305 im Jahre 2025 auf 315 im Jahre 2035 erwartet.
Zu Frage 2: In der Pflegefachkraftausbildung werden die in Frage 1 genannten Bedarfe trotz Steigerungen
der Zahlen derzeit nicht gedeckt. 2024 haben 622 Auszubildende Ihre Ausbildung an einer Pflegeschule im Land Bremen begonnen. Es wären Ausbildungskapazitäten in der Höhe von 800 bis 850 für das Land Bremen notwendig.
In der Pflegehilfeausbildung wurden die Ausbildungszahlen in der einjährigen Pflegefachhilfe deutlich gesteigert, weisen aber weiterhin eine hohe Schwankung auf. Die Angebote in der Externenprüfung für Berufserfahrene und die subsidiäre finanzielle Förderung durch SGFV erhöhen die Zahl der Absolvent:innen zusätzlich. Da der kurzfristige Bedarf an Pflegehilfspersonal abhängig ist vom Qualifikationsmix der einzelnen Pflegeeinrichtung, kann nicht valide ausgesagt werden, ob der Bedarf derzeit gedeckt wird. Die kommende bundeseinheitliche Pflegeausbildung wird neue Voraussetzungen schaffen, deren Auswirkungen auf die Zahl der Absolvent:innen wahrscheinlich positiv sein werden.
In den Therapieberufen ist von einer Deckung des Bedarfs auszugehen, sofern die Physiotherapieausbildungsplätze dauerhaft ausgebaut bleiben, wie aktuell in den beiden Schulen geschehen bzw. geplant.
Um den Bedarf in den MT-Berufen Radiologie und Labor zu decken, wäre ein Ausbau notwendig, der allerdings derzeit aufgrund von zu knappen Ausbildungsressourcen in der Praxis nicht geleistet werden kann.
Zu Frage 3: Um den Bedarf an Gesundheitsfachkräften zu decken, sind vielfältige Maßnahmen notwendig. Alleine in der Pflege ist mit dem Erreichen eines Kipppunkts in den nächsten Jahren zu rechnen, wenn nicht mit verschiedenen Maßnahmen gegengesteuert wird.
Es braucht zum einen ausreichend Kapazitäten in den Einrichtungen der praktischen Ausbildung. Dies betrifft insbesondere die Pflege und dort spezielle Bereiche wie die Psychiatrie oder die Pädiatrie sowie die Medizinischen Technolog:innen. Ebenso sind berufspädagogische Fachkräfte sowohl in der Praxis als auch in der Theorie knapp, so dass es Maßnahmen wie das Sonderprogramm Lehre in der Pflegeausbildung von SGFV und attraktive Angebote für Lehrende und Praxisanleitende braucht. Um die Erfolgsquote in den Ausbildungen zu erhöhen, sind Unterstützungsprogramme wie „Bleib dran“ oder Sprachförderangebote für nichtmuttersprachliche Auszubildende hilfreich.
Um zum anderen die Attraktivität von Ausbildungen in der Pflege und anderen Gesundheitsberufen erhöhen zu können, werden vor allem auch moderne Ausbildungsbedingungen in Theorie und Praxis benötigt. Hierbei muss der Fokus auch auf der interdisziplinären Ausbildung und einer engen Verzahnung von Theorie und Praxis liegen.
Einen solchen Ansatz verfolgt die Einrichtung einer zentralen Bildungsakademie bei der Gesundheit Nord, in der die verschiedenen Ausbildungsgänge der Gesundheitsfachberufe an einem Ort ausgebildet werden und in enger Anbindung an den klinischen Alltag die Verzahnung von Theorie und Praxis stattfinden kann.
Wichtige und erfolgreiche Schritte in der Vergangenheit waren die Akademisierung der Hebammenausbildung, die Steigerung der Attraktivität des Pflegestudiums durch das Pflegestudiumsstärkungsgesetz und die Abschaffung des Schulgeldes in den Therapieberufen, die in Bremen sehr frühzeitig gelungen ist. Künftige Maßnahmen zur Aufwertung des Pflegeberufes durch das Pflegekompetenzgesetz sind ebenfalls von Bedeutung zur Steigerung der Attraktivität des Berufs für Menschen in der Phase der Berufswahl.