Klausurtagung der Bremer Linksfraktion: Stadtentwicklung nicht Investoren überlassen
Die Fraktion Die Linke in der Bremischen Bürgerschaft befindet sich derzeit auf ihrer Klausurtagung zur Halbzeit der 21. Legislaturperiode in Hamburg. Dabei sei es auch wichtig, mit der Stadt in Kontakt zu kommen, finden die Vorsitzenden Sofia Leonidakis und Nelson Janßen. Am Dienstagvormittag hat sich die Fraktion deshalb mit ‚knallt am dollsten‘ und ‚Hamburg Enteignet‘ ausgetauscht- zwei Initiativen, die sich für die Vergesellschaftung von privatisiertem Wohnraum und Boden einsetzen. In dem Rahmen stand auch eine Besichtigung des Holstenareals in Hamburg-Altona auf dem Programm. Dieses wurde vor Jahren privatisiert- seither liegt die Entwicklung brach, während der Preis sich vervielfacht.
„Bodenspekulation, Investitionszurückhaltung, Profitstreben – die Gründe für die Unterlassung von Stadtentwicklung und Instandhaltung durch private Investoren sind vielfältig. Die Auswirkungen auf die Stadt sind aber fatal: Dringend benötigte Wohnungen werden nicht verwirklicht- die Wohnungsnot verschärft sich und die Mieten steigen. Zentrale Areale bleiben unansehnliche Brachen, Gebäude verrotten und ziehen die Quartiere in Mitleidenschaft. Man sollte Stadtentwicklung deshalb nicht nur Investoren überlassen!“, resümiert Sofia Leonidakis, Vorsitzende und stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion.
Hamburg hat eine ‚aktive Bodenpolitik‘ ausgerufen, kauft Flächen an und vergibt sie in Erbpacht. Auch die rot-grün-rote Koalition in Bremen hat sich zum Ziel gesetzt, das öffentliche Eigentum an städtebaulich zentralen Flächen und Immobilien auszuweiten und eine Erbpachtstrategie zu entwickeln.
„Leider hat Bremen bisher viel öffentlichen Grund verkauft: Große, für die Stadtentwicklung zentrale Flächen wie die Überseestadt, der Stadtwerder oder das Tabakquartier wurden größtenteils verkauft, die Entwicklung dieser Areale weitgehend Privaten überlassen. Die soziale Durchmischung dort lässt zu wünschen übrig, stattdessen sind viel Luxuswohnungen entstanden, die kein Mensch braucht und für viele schlicht nicht leistbar sind.
Auch das Neue Hulsberg-Viertel auf dem freigewordenen Geländeteil des Klinikums Bremen-Mitte soll komplett verkauft werden. Bereits an Investoren verkaufte Baufelder liegen derzeit brach oder werden von der Stadt teuer zurückgemietet. Für eine einmalige Einnahme müssen wir jetzt dauerhaft letztlich höhere Mieten zahlen, und die Stadt hat die eigene Steuerungsfähigkeit verloren. Wir fordern deshalb, dass der Hulsberg nicht privatisiert wird!
Zudem müsse dringend geklärt werden, wo die 30 Prozent Sozialwohnungen entstehen sollen. „Hier muss schnellstens Klarheit geschaffen werden, denn 30 Prozent sind ein Minimum angesichts der unterirdischen Quote von drei Sozialwohnungen auf 1000 Einwohnende in der Östlichen Vorstadt! Außerdem bietet sich das neue Hulsberg-Viertel durch die Nähe zum Krankenhaus als großem Ausbildungsbetrieb in einem Mangelberuf für Azubi-Wohnen geradezu an. Es braucht deshalb rasch eine Prüfung, ob in direkter Anbindung an Klinikum und Bildungsakademie auch Azubi-Wohnen realisiert werden kann, das wäre für die GeNo ein echter Vorteil im Wettbewerb um die Fachkräfte von morgen. Auch Baugemeinschaften sollen leistbarer bauen können“, fordert Leonidakis abschließend.
Einen weiteren Antrag stellt Nelson Janßen, Vorsitzender und gesundheitspolitischer Sprecher der Fraktion, vor. Auf Bundesebene sei nach wie vor nicht gelungen, Schwangerschaftsabbrüche aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. Die Kosten für einen Abbruch werden bundesweit von den Krankenkassen lediglich dann übernommen, wenn die Frau nur über geringes oder kein Einkommen verfügt. In zwölf Bundesländern reicht hierüber eine glaubhafte Selbstversicherung aus, vier Länder, darunter Bremen, verlangen schriftliche Einkommens- und Aufenthaltsnachweise. „Das kann dazu führen, dass der Abbruch einer ungewollten Schwangerschaft an der Kostenübernahme und Bürokratie scheitert. Das trifft Frauen ohne gesicherten Aufenthalt besonders, aber auch alle anderen. Wir fordern deshalb die Abänderung der Verwaltungsvereinbarung mit den Krankenkassen, um diese so unbürokratisch und niedrigschwellig zu gestalten. Entscheidend bei einem Schwangerschaftsabbruch sollten nicht Einkommen und bürokratische Hürden, sondern der Wille der Frau sein!“, führt Nelson Janßen, gesundheitspolitischer Sprecher der Fraktion, aus.
‚Deine Meinung zählt‘, soll das Signal sein, das die Linksfraktion jungen Menschen und Personen ohne Wahlrecht senden will. „Lange wurde über die „politikverdrossene Jugend“ gesprochen, aber mit der Jugend sprach man nicht. Bis mit Fridays for Future Millionen junge Menschen auf die Straßen gingen und lautstark eine klimagerechte Zukunft forderten. Dann kam Corona und würgte vieles wieder ab. Junge Menschen wurden während der Pandemie besonders hart eingeschränkt, aus ihrem Schulalltag gerissen, Freundeskreise durften sich nicht treffen, Sport- und Freizeitangebote waren geschlossen. Wenn es um eine gerechte Zukunft, die Bewahrung eines lebenswerten Planeten und der pluralistischen Gesellschaft geht, dann sind junge Menschen der Pfeiler dessen. Ihre Stimmen sollen in demokratischen Prozessen Gehör finden!“, findet Janßen. Deshalb soll durch einen weiteren Antrag der Linksfraktion in allen Stadtteilen Jugendbeiräte gegründet werden und reguläres Rederecht in den Beiräten erhalten. So können junge Menschen ihre Umgebung aktiv gestalten, Selbstwirksamkeit erfahren und Demokratie erlernen.
Von demokratischer Teilhabe ausgeschlossen sind Zehntausende Bremer*innen und Bremerhavener*innen, die hier teils schon seit Jahrzehnten leben. Die Rede ist von Menschen ohne deutsche oder europäische Staatsangehörigkeit. Sie dürfen weder wählen noch sich wählen lassen, nicht einmal auf der allerkleinsten Lokalebene. Von etwa 130.000 Menschen mit einer anderen als der deutschen Staatsbürgerschaft in der Stadt Bremen (Stand Ende 2023) leben fast 90.000 seit über fünf Jahren hier, davon 65.000 seit über zehn und fast 30.000 seit über 20 Jahren. Nicht alle wollen ihre Staatsbürgerschaft aufgeben oder können sich einbürgern lassen. Wer hier dauerhaft lebt, arbeitet, Steuern bezahlt, hier seine Kinder aufzieht, sollte auch mitbestimmen dürfen. Das Wahlrecht ist nicht mehr zeitgemäß und schließt Millionen Menschen von der demokratischen Willensbildung aus, obwohl sie davon betroffen sind und dauerhaft hier leben. Solange das so ist, wollen wir ihnen aber wenigstens ermöglichen, sachkundige Bürger*innen in den Beiräten der Bremer Stadtteile zu werden. Denn sie sind sachkundig, sie sind Expert*innen für ihre Belange, Lebensrealitäten und Wohnumfelder, und vor allem: sie sind Mitglieder unserer Gesellschaft“, begründet Sofia Leonidakis abschließend eine weitere Initiative der Linksfraktion, die das Beirätegesetz ändern soll.
Hier finden Sie alle beschlossenen Initiativen der Linksfraktion:
- Hulsberg nicht verhökern – soziale und bedarfsgerechte Entwicklung dauerhaft sicherstellen!
- Mehr Sicherheit für Fernwärmekund*innen
- Barrierefreiheit bei der BSAG endlich konsequent umsetzen!
- Mehr Demokratie im Stadtteil wagen: Ortsgesetz zur Änderung des Ortsgesetzes über Beiräte und Ortsämter
- Passives Wahlrecht als sachkundige Bürger*innen ausweiten: Ortsgesetz zur Änderung des Ortsgesetzes über Beiräte und Ortsämter
- Mehr Sicherheit im Straßenverkehr wagen!
- Arbeit der Quartiersbildungszentren absichern, Angebote ausbauen
- Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen für alle Menschen sicherstellen!
- Keine Räume für Rechtsextremisten
- Hafen-Digitalisierung