Entwicklung der Altersarmut in Bremen und Bremerhaven

In Deutschland ist laut einer Expertise des Paritätischen Gesamtverbandes zu den Ergebnissen des Mikrozensus zur Armutsentwicklung 2023 die Altersarmutsquote angestiegen: Sie betrug im Jahr 2023 18,1 Prozent aller über 64-Jährigen und hat damit einen neuen Rekordwert erreicht. 2022 lag dieser Wert noch bei 17,5 Prozent, 2021 bei 17,6 Prozent. Noch stärker von Armut betroffen sind Rentner:innen: Von ihnen müssen 18,7 Prozent in Armut leben, 2006 waren es gerade einmal etwas über 10,0 Prozent.

Die monetäre Altersarmut verteilt sich geschlechtsspezifisch ungleich und ist vor allem stark weiblich geprägt. Während Männer im Alter ab 65 Jahren mit einer Quote von „nur“ 15,4 Prozent sogar ein geringeres Armutsrisiko ausweisen als der Durchschnitt der Bevölkerung in Deutschland, liegt die Quote bei den Frauen im Alter ab 65 Jahren bei weit überdurchschnittlichen 20,2 Prozent und damit um 4,8 Prozentpunkte signifikant über dem Anteil bei Männern. Die Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke im Bundestag (Bundestagsdrucksache 20/5483) im Jahr 2023 zeigt weiterhin auf, dass Frauen, die im Jahr 2021 in die Altersrente eingetreten sind, durchschnittlich lediglich 876 Euro erhalten. Die durchschnittliche Altersrente von Frauen im Rentenzugang 2021 liegt damit deutlich unter der Armutsgefährdungsschwelle von monatlich 1 148 Euro für eine alleinstehende Person, die sich laut Paritätischem Armutsbericht auf Basis der Erstergebnisse des Mikrozensus aus dem Jahr 2021 ergibt.

Die niedrigen Renten von Frauen sind nicht automatisch mit Einkommensproblemen bis hin zu Altersarmut verbunden, nämlich dann nicht, wenn Frauen in einer Partnerschaft mit einer Person mit höherem (Renten-) Einkommen leben. In einer Partnerschaft macht das Alterseinkommen, das dem Mann zufließt, nach wie vor meist den Hauptbestandteil des Haushaltseinkommens aus. Die erstrebenswerte Eigenständigkeit der Alterssicherung von Frauen ist damit allerdings nicht gegeben; die Frauen bleiben in ihrem Lebensstandard – in der Erwerbsphase wie in der Altersphase – auf Unterhaltsleistungen ihrer Ehemänner angewiesen. Vorliegende Studien zeigen zudem, dass ältere Migrant:innen sozioökonomisch gegenüber Gleichaltrigen ohne Migrationserfahrung benachteiligt sind. Sie erhalten häufig eine niedrigere Rente und haben ein höheres Armutsrisiko, wobei dies deutlich nach Geschlecht und Zuwanderungsgeschichte variiert.

Als arm gilt, wessen gewichtetes Pro-Kopf-Haushalts- Nettoäquivalenzeinkommen weniger als 60,0 Prozent des mittleren Einkommens (Median) in der Bevölkerung beträgt. Die Schwelle lag 2023 für einen Single bei 1 247 Euro. Altersarmut beschreibt neben dem monetären Aspekt aber eine gesamte Lebenslage, die auch die soziale und gesellschaftliche Teilhabe älterer Menschen einschließt. Altersarmut bedeutet daher mehr als „nur“ Geldsorgen. Wem das Geld fehlt, dem mangelt es häufig auch an Sicherheit und gesellschaftlicher Teilhabe. Eine ganzheitliche Strategie gegen Altersarmut muss daher neben einer Verbesserung der materiellen Situation und Unabhängigkeit, die auf das Halten des Lebensstandards im Alter abzielt, auch verlässliche soziale Sicherheit im Alter sowie die Bereitstellung von niedrigschwelligen Teilhabeangeboten umfassen.

Wir fragen den Senat:
1. Wie viele Altersrentner:innen leben derzeit im Land Bremen, und wie haben sich die Zahlen seit 2014 entwickelt? (Bitte aufschlüsseln nach Stadtgemeinde Bremen und Bremerhaven, nach Geschlecht (männlich/weiblich/divers), nach Menschen mit deutscher und ohne deutsche Staatsangehörigkeit und, sofern Daten vorhanden, nach Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte.)
2. Wie haben sich die durchschnittlichen Zahlbeträge der Altersrenten („Rente wegen Alters“) im Land Bremen seit dem Jahr 2014 entwickelt? (Bitte differenziert angeben nach Jahr, Stadtgemeinde Bremen und Bremerhaven, nach Geschlecht (männlich/weiblich/divers), nach Menschen mit deutscher und ohne deutsche Staatsangehörigkeit und, sofern Daten vorhanden, nach Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte.)
3. Wie viele Menschen, die Erwerbsminderungsrente beziehen, leben derzeit im Land Bremen, und wie haben sich die Zahlen seit 2014 entwickelt? (Bitte aufschlüsseln nach Stadtgemeinde Bremen und Bremerhaven, nach Geschlecht (männlich/weiblich/divers), nach Menschen mit deutscher und ohne deutsche Staatsangehörigkeit und, sofern Daten vorhanden, nach Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte.)
4. Wie haben sich die durchschnittlichen Zahlbeträge der Erwerbsminderungsrenten im Land Bremen seit dem Jahr 2014 entwickelt? (Bitte differenziert angeben nach Jahr, Stadtgemeinde Bremen und Bremerhaven, nach Geschlecht (männlich/weiblich/divers), nach Menschen mit deutscher und ohne deutsche Staatsangehörigkeit
und, sofern Daten vorhanden, nach Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte.)
5. Wie viele Menschen im Land Bremen erhalten derzeit Hinterbliebenenrente, und wie haben sich die Zahlen seit 2014 entwickelt? (Bitte aufschlüsseln nach Stadtgemeinde Bremen und Bremerhaven, nach Geschlecht (männlich/weiblich/divers), nach Menschen mit deutscher und ohne deutsche Staatsangehörigkeit und, sofern Daten vorhanden, nach Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte.)
6. Wie haben sich die durchschnittlichen Zahlbeträge der Hinterbliebenenrenten in Bremen und Bremerhaven seit dem Jahr 2014 entwickelt? (Bitte aufschlüsseln nach Stadtgemeinde Bremen und Bremerhaven, nach Geschlecht (männlich/weiblich/divers), nach Menschen mit deutscher und ohne deutsche Staatsangehörigkeit und, sofern Daten vorhanden, nach Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte.)
7. Wie viele Menschen erhalten im Land Bremen derzeit Altersrente bei bestehender Schwerbehinderung, und wie haben sich die Zahlen seit 2014 entwickelt? (Bitte aufschlüsseln nach Stadtgemeinde Bremen und
Bremerhaven, nach Geschlecht (männlich/weiblich/divers), nach Menschen mit deutscher und ohne deutsche Staatsangehörigkeit und, sofern Daten vorhanden, nach Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte.)
8. Wie haben sich die durchschnittlichen Zahlbeträge der Altersrente bei bestehender Schwerbehinderung in Bremen und Bremerhaven seit dem Jahr 2014 entwickelt? (Bitte aufschlüsseln nach Stadtgemeinde Bremen und Bremerhaven, nach Geschlecht (männlich/weiblich/divers), nach Menschen mit deutscher und ohne deutsche Staatsangehörigkeit und, sofern Daten vorhanden, nach Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte.)
9. Wie stellt sich die Verteilung der Altersrenten in den Rentenhöhen in zweihunderter Schritten dar (angefangen bei unter 500 Euro, 700 Euro bis 900 Euro, 900 Euro bis 1 100 Euro und so weiter bis 3 100 Euro und höher)? (Bitte aufschlüsseln nach Stadtgemeinde Bremen und Bremerhaven, nach Geschlecht (männlich/weiblich/divers), nach Menschen mit deutscher und ohne deutsche Staatsangehörigkeit und, sofern Daten vorhanden, nach Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte.)
10. Wie hat sich Zahl und Quote der Beziehenden von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Bremen und Bremerhaven seit dem Jahr 2014, bezogen auf die jeweils altersgleiche Bevölkerung, entwickelt? (Bitte differenziert angeben nach Jahr, Stadtgemeinde Bremen und Bremerhaven, nach Geschlecht, nach Menschen mit deutscher und ohne deutsche Staatsangehörigkeit und, sofern Daten vorhanden, nach Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte.)
11. Wie hoch ist aktuell die Quote der Neurentner:innen im Jahr 2023 im Land Bremen (Altersrente), deren Zahlbetrag aus der gesetzlichen Rentenversicherung unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze liegt? (Bitte differenziert angeben nach Geschlecht, nach Menschen mit deutscher und ohne deutsche Staatsangehörigkeit und, sofern Daten vorhanden, nach Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte.)
12. Wie hoch ist aktuell die Quote der Neurentner:innen im Jahr 2023 im Land Bremen (Altersrente), deren Zahlbetrag aus der gesetzlichen Rentenversicherung bis zu 25,0 Prozent oberhalb der Armutsgefährdungsgrenze liegt? (Bitte differenziert angeben nach Geschlecht, nach Menschen mit deutscher und ohne deutsche Staatsangehörigkeit und, sofern Daten vorhanden, nach Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte.)
13. Wie hat sich die Armutsquote in der Altersgruppe der über 65-Jährigen in den letzten Jahren im Land Bremen entwickelt? (Bitte differenziert angeben nach Jahr, nach Geschlecht (männlich/weiblich/divers), nach
Menschen mit deutscher und ohne deutsche Staatsangehörigkeit und, sofern Daten vorhanden, nach Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte.)
14. Mit welchen Schätzungen bezüglich der erwartbaren Altersarmut rechnet der Senat für die nächsten zehn Jahre, und welche Kriterien werden hierfür zugrunde gelegt (bitte aufschlüsseln nach Geschlecht)?
15. Wie hat sich die Quote der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Alter über 58 Jahren seit dem Jahr 2014 in Bremen und Bremerhaven entwickelt? (Bitte differenziert angeben nach Jahr, Stadtgemeinde Bremen und Bremerhaven, nach Geschlecht, nach Menschen mit deutscher und ohne deutsche Staatsangehörigkeit und, sofern Daten vorhanden, nach Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte.)
16. Wie viele Menschen im Alter über 67 Jahren gehen in Bremen und Bremerhaven einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach, wie viele haben eine geringfügige Beschäftigung und wie viele sind
selbstständig? (Bitte differenziert angeben nach Stadtgemeinde Bremen und Bremerhaven, nach Geschlecht, nach Menschen mit deutscher und ohne deutsche Staatsangehörigkeit und, sofern Daten vorhanden, nach Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte sowie nach Vollzeit- oder Teilzeittätigkeit.)
17. Wie hat sich nach Kenntnis des Senats in den vergangenen zehn Jahren die Zahl der geringfügig Beschäftigten mit und ohne Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung im Land Bremen entwickelt?
18. In welchem Maße schützen Bundesmindestlohn und der Landesmindestlohn in Bremen vor Altersarmut? Bitte die Einschätzung beispielhaft für eine alleinstehende, Vollzeit erwerbstätige Person berechnen, die über das gesamte Erwerbsleben hinweg ohne Erwerbsunterbrechung Bundes- beziehungsweise Landesmindestlohn
erhält – nach dem aktuellen Rentenniveau.
19. Welche staatlichen Unterstützungsleistungen können Bewohner:innen von Pflegeeinrichtungen bekommen, deren eigenes Einkommen nicht dazu ausreicht, ihren Lebensunterhalt und/oder die Kosten für die stationäre Pflege komplett selbstständig zu finanzieren, und was sind die jeweiligen Voraussetzungen dafür?
20. Wie viele Bewohner:innen von Pflegeeinrichtungen im Rentenalter im Land Bremen beziehen die in Frage 11 ausgeführten staatlichen Unterstützungsleistungen jeweils (absolut und prozentual gemessen an allen Pflegeheimbewohner:innen), und welche jährlichen Ausgaben gehen damit jeweils für die Kommunen Bremen und Bremerhaven seit 2018 einher?
21. Unter welchen Voraussetzungen und wie genau informieren und beraten die Träger der Rentenversicherung Rentner:innen, deren Rente dem ersten Bescheid nach unterhalb der Grundsicherungshöhe liegt, standardmäßig über ihre möglichen Ansprüche auf Grundsicherung im Alter, und sind bei der Antragsstellung an den zuständigen Träger der Sozialhilfe behilflich? (Bitte Schrittfolge erläutern.)
22. Inwieweit informieren die Träger der Rentenversicherung Rentner:innen, deren Bescheide eine Rente unterhalb der Grundsicherungshöhe ausweisen, auch über mögliche ergänzende Hilfen oder Beratungsstellen und bieten dies gegebenenfalls auch mehrsprachig an?
23. Welche Angebote und Maßnahmen hält der Senat vor, um über (ergänzende) Sozialleistungsansprüche wie Grundsicherung im Alter, Hilfen zur Pflege, Wohngeld zu informieren?
24. Welche konkreten Ansätze verfolgen das Land Bremen, um monetärer Altersarmut, insbesondere auch bei Frauen und Migrant:innen, entgegenzuwirken?
25. Mit welchen Maßnahmen verfolgen das Land Bremen und seine Kommunen das Ziel, die Folgen von Altersarmut zu lindern und allen älteren Menschen niedrigschwellig soziale Teilhabe zu ermöglichen?
26. Wie wird die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Institutionen, die sich dem Thema Altersarmut widmen, koordiniert, um eine ganzheitliche Unterstützung für von Altersarmut betroffene Personen sicherzustellen?

Sofia Leonidakis, Olaf Zimmer, Nelson Janßen und Fraktion DIE LINKE
Katharina Kähler, Holger Welt, Mustafa Güngör und Fraktion der SPD
Sahhanim Görgü-Philipp, Dr. Henrike Müller und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen