Einsatz von nicht bei der Senatorin für Kinder und Bildung angestelltem Personal an Schulen
Der Alltag an den Bremer Schulen hat sich in den letzten zehn Jahren massiv verändert. Neben den normalen Unterricht sind weitere pädagogische Angebote wie beispielsweise der Ganztagsbetrieb, die verlässliche Betreuung in der Grundschule oder Schulprofile in Sport und Musik getreten. Viele dieser Angebote werden in Kooperationen mit externen Vereinen und Trägern vorgehalten. Zu diesem Zweck wurden an einigen Standorten von den unmittelbar am Schulleben beteiligten Gruppen neue Eltern-, Schul und Fördervereine gegründet. Außerdem haben in Kooperation mit den Schulen Sportvereine, Kultureinrichtungen und Träger der Jugendhilfe ebenfalls Angebote übernommen.
Nicht nur die pädagogischen Angebote sind neu, verändert haben sich auch die Beschäftigungsverhältnisse der am Schulleben beteiligten Angestellten. Es gibt nicht mehr nur noch die Senatorin für Kinder und Bildung als Arbeitgeberin, bei der das gesamte Personal angestellt ist; neben die Schule treten nun auch Vereine oder freie Träger der Jugendhilfe als Arbeitgeber. Viele dieser neuen Beschäftigungsverhältnisse sind atypisch, also befristet und/oder in Teilzeit. Auch hat der Einsatz von Honorarkräften an Schulen zugenommen. Diese neuen Beschäftigungsverhältnisse bringen eine Reihe rechtlicher und sozialversicherungspflichtiger Probleme mit sich, wie eine Betriebsprüfung des Ganztagsbetriebes an niedersächsischen Schulen durch die Deutsche Rentenversicherung gezeigt hatte. Dort war massiv gegen gesetzliche Vorgaben verstoßen worden und mussten erhebliche Beiträge an die Sozialversicherungen nachgezahlt werden.
Bei dem Einsatz von fremdem Personal über Kooperationspartner an Schulen sind generell zwei Fälle zu unterscheiden. Entweder wird vertraglich eine Überlassung der Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) vereinbart, diese können dann mit erheblichen Rechten am Schulalltag teilnehmen, sind der Schulleitung gegenüber weisungsgebunden und von dieser vergleichsweise frei einsetzbar. Wird die Überlassung im Rahmen eines Kooperationsvertrages nicht vereinbart, bleibt das Weisungsrecht beim Kooperationspartner, der sein Personal mit genauen Zeit- und Ortsangaben an der Schule einsetzt. Eine Teilnahme an den pädagogischen Aufgaben der Schule (Eltern- und Lehrergespräche, Konferenzbesuch etc.) über die reine Erteilung des vertraglich festgelegten Angebotes hinaus ist für das Personal dann nicht möglich.
Wir fragen den Senat:
Allgemeiner Überblick
1. Gibt es über die bundesrechtlichen Arbeits- und Sozialversicherungsgesetze hinaus bremenspezifische rechtliche Vorschriften, die den Einsatz von nicht bei der Senatorin für Kinder und Bildung angestelltem Personal an Schulen regeln, z.B. im Bremischen Schulgesetz?
2. An welchen Schulen gibt es Kooperationsverträge mit anderen Einrichtungen über die Durchführung pädagogischer Angebote (Ganztagsbetrieb, Schulprofil, verlässliche Betreuung oder ähnliches), in denen der Einsatz von zusätzlichem Personal, das nicht bei der Stadt Bremen angestellt ist, vereinbart wird? Mit welchen Kooperationspartnern wurden diese Verträge abgeschlossen? Bitte schulscharf aufschlüsseln und angeben, welche dieser Verträge Vereinbarungen über Personalüberlassung im Sinne des AÜG enthalten.
3. Wer ist bei diesen Verträgen auf städtischer Seite Vertragspartner, die Senatorin für Kinder und Bildung oder die einzelne Schule bzw. deren Schulleitung?
4. Gibt es Fälle, in denen der vertragliche Kooperationspartner der Schule weitere Verträge mit Dritten über die Durchführung pädagogischer Angebote abschließt, also beispielsweise ein mit der Durchführung des Ganztagsbetriebes beauftragter Schulverein dann mit einem Sportverein in Vertragsbeziehung geht? Gibt es in dieser zweiten Ebene dann Arbeitnehmerüberlassungsvereinbarungen nach dem AÜG oder Personaleinsatz ohne formale Arbeitnehmerüberlassung? Bitte schulscharf auflisten.
5. Wie viel Personal wird regelmäßig von Kooperationspartnern im Schulbetrieb eingesetzt? Wie viele dieser Personen sind von den Kooperationspartnern ausschließlich für den Einsatz an Schulen eingestellt?
6. Werden in den Kooperationsverträgen arbeitsrechtliche Standards festgelegt, z.B. die Einhaltung des Tariflohns im öffentlichen Dienst? Wer überwacht die Einhaltung dieser Standards? Werden diese Standards auch überwacht, wenn ein Kooperationspartner weitere Verträge schließt?
7. Welche Kriterien gelten bezüglich der Qualifikation des externen Personals? Wer überwacht die Einhaltung dieser Kriterien? Wie ist sichergestellt, dass von allen bei externen Kräften angestelltem Personal ein polizeiliches Führungszeugnis vorliegt?
8. Aus welchen Haushaltsstellen werden Leistungen für Kooperationsverträge finanziert?
9. Hat es seit 2007 durch die Deutsche Rentenversicherung (DRV) eine Betriebsprüfung im Bereich Schulen gegeben? Falls ja, gab es von Seiten der DRV in Bezug auf den Einsatz von externem Personal oder Honorarkräften Beanstandungen und wie lauteten diese?
10. Nach massiven Problemen mit dem Einsatz von Honorarkräften im Ganztagsbetrieb hat das Land Niedersachsen die Vorschriften für den Einsatz von externem Personal an Schulen stark konkretisiert und schult nun SchuleiterInnen intensiv, um weitere Verletzungen gegen Sozialversicherungsgesetze auszuschließen. Auch vom Land Schleswig-Holstein liegt umfangreiches Material für Schulleitungen vor. Hat das Land Bremen vergleichbare Maßnahmen ergriffen? Gibt es schriftliche Handreichungen für Schulleitungen oder interne Schulungsmaßnahmen zum Einsatz externen Personals?
11. Seit 2011 gibt es eine Dienstvereinbarung der Senatorin für Bildung und Wissenschaft [jetzt Kinder und Bildung] mit dem Personalrat Schulen über den Einsatz von pädagogischen MitarbeiterInnen an Schulen. Wird die Dienstvereinbarung flächendeckend umgesetzt? Liegen dem Senat Klagen darüber vor, dass die Dienstvereinbarung z.B. durch Schulleitungen missachtet wurde? Wie bewertet der Senat nach vierjähriger Erfahrung die Dienstvereinbarung?
Arbeitnehmerüberlassung
12. Wie viele Anträge auf Arbeitnehmerüberlassung wurden bei der Agentur für Arbeit für den Bereich der öffentlichen Schulen in Bremen genehmigt? Bitte ab 2007 pro Jahr angeben.
13. Wer trägt dafür Sorge, dass bei Verträgen ohne Vereinbarungen im Sinne des AÜG die sehr engen Richtlinien zum Personaleinsatz eingehalten werden? Liegen dem Senat Erkenntnisse über Probleme mit dem Einsatz schulfremden Personals ohne vertragliche Arbeitnehmerüberlassung vor?
14. Wie bewertet der Senat Berichte, dass an Bremer Schulen im Rahmen von Kooperationsvereinbarungen schulfremdes Personal auch ohne Überlassung nach AÜG der Schulleitung gegenüber weisungsgebunden eingesetzt wird? Teilt der Senat die Einschätzung, dass in diesen Fällen Leiharbeit ohne Erlaubnis stattfindet?
15. Seit dem 7. Oktober 2014 gibt es die „Bremer Erklärung für faire Beschäftigungsverhältnisse“, die von der Senatorin für Finanzen, von dem damaligen Bürgermeister Jens Böhrnsen und dem Gesamtpersonalrat unterzeichnet wurde. Danach sollen Leiharbeitsverhältnisse sechs Monate nicht überschreiten. Wie viele Leiharbeitsverhältnisse im Bildungsbereich überschreiten die sechs Monate und seit wann existieren sie? Welche Schritte hat der Senat unternommen, um prekäre Beschäftigungsverhältnisse (z.B. Leiharbeitsverhältnisse, die sechs Monate überschreiten) an Schulen abzubauen?
Honorarkräfte und geringfügig Beschäftigte
16. Beinhalten die Kooperationsverträge Regelungen dazu, ob Personal anzustellen ist oder als Honorarkraft eingesetzt werden darf? Wenn es hierzu vertragliche Regelungen gibt, wie sehen diese im Detail aus?
17. Liegen dem Senat Erkenntnisse darüber vor, in welchem Umfang die Kooperationspartner Personal als Honorarkräfte im Schulbetrieb einsetzen? Bitte schulscharf aufschlüsseln.
18. Gibt es Schulen, die direkt Honoraraufträge für den Ganztagsbetrieb oder andere pädagogische Angebote vergeben? Bitte schulscharf nach Anzahl der Honorarkräfte aufschlüsseln.
19. Wie hat sich der Einsatz von Honorarkräften an Bremer Schulen seit 2007 entwickelt? Bitte nach Anstellung direkt bei den Schulen und bei Kooperationspartnern aufschlüsseln.
20. Liegen dem Senat Zahlen über den Einsatz von geringfügig Beschäftigten („450€-Jobs“) an Bremer Schulen vor? Bitte sowohl die direkt über die Senatorische Behörde für Kinder und Bildung bei den Schulen als auch die bei externen Trägern, Kooperationspartnern etc. angestellten Kräfte getrennt aufschlüsseln. Erhalten diese Beschäftigten eine Bezahlung nach TV-L?
21. Wie hat sich der Einsatz von geringfügig Beschäftigten an Bremer Schulen seit 2007 entwickelt? Bitte nach Anstellung direkt bei den Schulen und bei Kooperationspartnern aufschlüsseln.
Eigenmittel in der Verantwortung der Schulleitungen
22. Stehen Schulen zusätzlich Eigenmittel zur Verfügung, aus denen sie Kooperationen und darüber externes Personal finanzieren können? Seit wann werden im Programm „Geld statt Stellen“ Stellen in Geld umgewandelt und in welcher Höhe sind seit Beginn Stellen insgesamt umgewandelt worden?
Wie viel Mittel stehen den Schulen jährlich aus dem Programm „Geld statt Stellen“ zur Verfügung? Bitte schulscharf aufschlüsseln, welche Mittel zur Verfügung stehen und wie viele Personen daraus angestellt werden. Wie lange sind die durchschnittliche und die maximale Laufzeit von Arbeitsverträgen, die aus Eigenmitteln von Schulen vergeben werden?
23. In der Pressemitteilung zu ihrer hunderttägigen Amtsbilanz hat die Senatorin für Kinder und Bildung Frau Dr. Bogedan Diskussionen darüber angekündigt, wie „Schulleitungen im Umgang mit Vertretungsmöglichkeiten zu stärken“ sind. Wie weit sind die Diskussionen und die Arbeit der dort erwähnten AG vorangeschritten? Sind VertreterInnen des Personalrat Schulen an der AG beteiligt und wenn nicht, warum nicht? In welcher Höhe sollen den Schulleitungen zusätzliche Mittel zur Verfügung stehen?
Bewertung von atypischen Beschäftigungsverhältnissen
24. Wie bewertet der Senat den Einsatz von schulfremdem Personal und Honorarkräften in Schulen mit Hinblick auf die sozialversicherungsrechtlichen Hürden und die Ausdehnung atypischer Beschäftigungsverhältnisse? Wie steht der Senat zu der gewerkschaftlichen Forderung, das bei Schulvereinen angestellte Personal in den öffentlichen Dienst zu überführen?
Kristina Vogt und Fraktion DIE LINKE