Tebje: Arbeitsmarkt

Zur aktuellen Beschäftigungssituation und Lage der Beschäftigten im Land Bremen

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Nachdem die Covid-19-Pandemie die Wirtschaft und Beschäftigung im exportstarken Land Bremen teils stark beeinträchtigte und u.a. viele tausend Menschen in Kurzarbeit waren, standen in der bremischen Wirtschaft über die Sommermonate 2021 hinweg die Zeichen auf Erholung. Wenngleich nach einzelnen Branchen zu unterscheiden ist, haben Unternehmen wieder vermehrt Investitionen und einen Ausbau der Beschäftigung geplant. Mögliche negative Auswirkungen auf diese Planungen durch die Folgen der jüngsten Infektionswelle können derzeit noch nicht abgeschätzt werden.

Auch wenn sich die Beschäftigungssituation im Land Bremen zwischen 2009 und 2019 entspannte und die Zahl der Erwerbslosen sank, bestand laut Bericht der Arbeitnehmerkammer Bremen zur Erwerbslosigkeit im Land Bremen jedoch bereits vor der Covid-Krise ein grundsätzliches Defizit an passenden Arbeitsstellen. Für Menschen, die arbeiten wollen und können (erfasst werden Arbeitslose, Personen in arbeitsmarktpolitischen Maßnah-men und Personen mit einem Sonderstatus) standen demnach nicht ausreichend passende Arbeitsplätze zur Verfügung. 2019 lag dieses Defizit im Land Bremen bei 49.500 fehlenden Arbeitsplätzen. Dieser Wert stieg laut Arbeitnehmerkammer durch Corona weiter an.

Weiterhin verfügt Bremen im Bundesvergleich über überdurchschnittlich viele unqualifizierte Arbeitnehmer:innen, also Menschen ohne berufsqualifizierenden Abschluss, die im besonderen Maße von (Langzeit-)Arbeitslosigkeit betroffen sind. Denn im Land Bremen stehen Arbeitsplätze vor allem hochqualifizierten Arbeitnehmer:innen zur Verfügung, während die Arbeitsplätze im Helferbereich, die keine Qualifikation voraussetzen, weiterhin zu-rückgehen. Darüber hinaus liegt auch der Verdienst von Beschäftigten mit Berufsabschluss laut Entgeltstatistik der Bundesagentur für Arbeit bis zu 50 Prozent höher als bei Beschäftigten im Helferbereich. Ein Berufsabschluss garantiert also existenzsichernde Beschäftigung. Ebenfalls zu berücksichtigen ist, dass sich die Arbeitswelt in immer schnellerem Tempo durch Globalisierungs- und Digitalisierungsprozesse sowie die Notwendigkeit zur ökologischen Transformation verändert, wodurch viele Arbeitsplätze wegfallen, andere sich verändern, wieder andere komplett neu entstehen. Die Ausbildung und Weiterbildung/Qualifikation wird dadurch immer wichtiger.

Bedeutend ist auch ein verbesserter Arbeitsmarktzugang für Migrant:innen. Dieser ermöglicht Menschen gesellschaftliche Teilhabe. Zudem können dadurch dringend benötigte neue Fachkräfte gewonnen werden. Dafür ist neben der Sprachförderung die Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen von wesentlicher Bedeutung. Allein zwischen dem 1. Januar 2019 und dem 31. Dezember 2020 wurden laut Senatsmitteilung 1.316 Personen hinsichtlich der Anerkennung ihrer ausländischen Berufsabschlüsse beraten. Fraglich ist allerdings, ob und wie oft daraus auch die notwendige Anerkennung von Abschlüssen resultiert, durch die Migrant:innen potenziell einen leichteren Einstieg in qualifizierte Arbeit finden.

Mithin stellt sich die Frage, wie sich die Beschäftigungssituation und die Lage der Beschäftigten im Land Bremen aktuell darstellt und welche weiteren Maßnahmen u.a. zur Qualifizierung von Beschäftigten zu unterstützen sind.

Wir fragen den Senat:
1. Wie hat sich die Anzahl der Menschen in Kurzarbeit in den letzten sechs Monaten entwickelt und wie viele Beschäftigte befinden sich aktuell noch in Kurzarbeit? (Bitte nach Stadtgemeinden, Geschlechtern und Branchen getrennt aufführen)
2. Wie bewertet der Senat die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt unter besonderer Berücksichtigung des Defizits an Arbeitsstellen im Land Bremen? Wie hat sich das Defizit seit 2019 bis heute entwickelt? (Bitte nach Stadtgemeinden und Branchen aufgeschlüsselt  darstellen)
3. Welche Entwicklung zeigt sich bei der Anzahl der Arbeitsstellen im Helferbereich im Land Bremen und den umliegenden Regionen von 2019 bis heute? In welchen Branchen veränderte sich die Zahl der helfenden Tätigkeiten besonders stark und in welcher Form? (Bitte nach Stadtgemeinden und Geschlecht aufschlüsseln)
4. Wie hat sich der Anteil der Beschäftigten ohne Berufsabschluss in den vergangenen Jahren entwickelt? (Bitte nach Stadtgemeinden, Geschlechtern und Alter getrennt aufführen)
5. Welche Qualifikationen werden von der Bundesagentur für Arbeit und dem Jobcenter erfasst? Inwieweit werden auch ausländische Berufsabschlüsse erfasst?
6. Wie bewertet der Senat die bisherigen Fördermöglichkeiten zur beruflichen Weiterbildung durch die Agentur für Arbeit und die Jobcenter? Welche Möglichkeiten sieht der Senat mehr abschlussorientierte Maßnahmen anbieten zu können?
7. Wie bewertet der Senat das von der Arbeitnehmerkammer vorgeschlagene Qualifizierungsgeld, um Menschen ohne beruflichen Abschluss bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu ermöglichen?
8. Wie viele Personen (nach Geschlechtern getrennt) haben in den vergangenen Jahren die Anerkennungsstelle aufgesucht?
a. Wie viele Personen (nach Geschlechtern getrennt) haben in den vergangenen Jahren die Anerkennung ihres Berufsabschlusses beantragt? In wie vielen Fällen und aus welchen Gründen wurde die Eröffnung eines Anerkennungsverfahrens abgelehnt?
b. Wie viele Personen (nach Geschlechtern getrennt) haben die Aufforderung zu einer Anerkennungsprüfung erhalten? (Bitte Entwicklung der vergangenen Jahre aufzeigen)
c. Wie werden die Menschen auf die Anerkennungsprüfung vorbereitet?
d. Wie bewertet der Senat den Nutzen von Kursen zur Vorbereitung auf die Anerkennungsprüfung und inwieweit ist geplant, diese einzuführen?
e. Wie viele der Personen, die aufgefordert wurden, eine Anerkennungsprüfung abzulegen, bestehen diese Prüfung? (Bitte Entwicklung der vergangenen Jahre aufzeigen und nach Geschlechtern trennen)
f. Wie viele Personen (nach Geschlechtern getrennt) erhalten die Anerkennung ihres Berufsabschlusses? (Bitte Entwicklung der vergangenen Jahre aufzeigen)
g. Wie bewertet der Senat die Anerkennungsquoten ausländischer Bildungsabschlüsse im Land Bremen?
9. Wie bewertet der Senat die bisherigen sprachlichen Unterstützungsangebote für Arbeitnehmer:innen und Unternehmen, die Menschen mit Migrationsge-schichte beschäftigen und sind weitere Angebote geplant?
10. Wie bewertet der Senat die bisherigen Maßnahmen zur Verbesserung des Zugangs von geflüchteten Frauen zum Arbeitsmarkt? Sieht der Senat Ände-rungsbedarfe und welche entsprechenden Programme sind hierzu zukünftig geplant?

Jasmina Heritani, Birgitt Pfeiffer, Antje Grotheer, Mustafa Güngör und Fraktion der SPD
Dr. Henrike Müller, Sahhanim Görgü-Philipp, Björn Fecker und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Ingo Tebje, Sofia Leonidakis, Nelson Janßen und Fraktion DIE LINKE