Es ist die Stunde der gemeinsamen Verantwortung!

Resolution der Bremischen Bürgerschaft zur Bekämpfung der Corona-Pandemie

Angesichts der steigenden Infektionszahlen ist ein Strategiewechsel erforderlich. Die Zahl der aktuell Infizierten hat sich im Land Bremen seit Ende der Sommerferien zuletzt sprunghaft erhöht und seitdem insgesamt verzehnfacht. Hier steht Bremen nicht allein. Fast alle Bundesländer sind derzeit mit einer ähnlich dynamischen Entwicklung des Infektionsgeschehens konfrontiert. Die Zahl der stationär Behandelten im Land Bremen liegt aktuell doppelt so hoch wie zum Höchststand der ersten Infektionswelle Ende April. Die Zahl der intensiv-medizinisch Versorgten und der Todesfälle steigt zeitverzögert ebenfalls besorgniserregend an. Angesichts dieser Entwicklung muss die Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens in jedem Fall sichergestellt bleiben und der exponentielle Anstieg deutlich gebremst werden.

Gerade in Pflegeheimen und Krankenhäusern und in größeren Sammelunterkünften muss deshalb konsequent auf den Schutz der dort lebenden Menschen geachtet werden. Zugleich zieht sich das Infektionsgeschehen so breit, dass es immer schwieriger wird festzustellen, wo sich Menschen angesteckt haben und zu wie vielen anderen Menschen sie Kontakt hatten. Die sprunghaft steigenden Ansteckungszahlen seit Ende der Sommerferien zeigen, dass die zuvor ergriffenen, inzidenzbezogenen, oftmals regionalen Maßnahmen jetzt nicht mehr ausreichen.
Nur die konsequente Beschränkung sozialer Kontakte kann kurzfristig helfen, das Infektionsgeschehen wieder in den Griff zu bekommen. Um diese Welle effektiv zu brechen, sind bundeseinheitliche Regeln und die weitere deutliche Reduzierung sozialer Kontakte dringend erforderlich.
Das Ziel dieser befristeten Maßnahmen liegt darin, wieder in eine Lage zu kommen, in der kulturelle, wirtschaftliche und soziale Kontakte unter Einhaltung der Hygienemaßnahmen wieder sicherer ermöglicht und Infektionswege nachvollzogen werden können.

Gleichzeitig unterscheiden sich die jetzt getroffenen harten Maßnahmen und Einschitte in das gesellschaftliche Zusammenleben von den ersten Einschränkungen dieses Frühjahrs entscheidend: Die Kitas und Schulen bleiben offen. Auch der Einzelhandel und weite Teile des wirtschaftlichen Lebens bleiben geöffnet, selbstredend unter Einhaltung der geltenden Hygienekonzepte.

Auch die Corona-Warn-App bleibt dabei ein wichtiges Instrument zur Selbsteinschätzung des Infektionsrisikos. Damit sie ihren Zweck erfüllen kann, ist es nötig, dass möglichst viele Menschen sie auf geeigneten Geräten installieren und nutzen, aber auch dass Testergebnisse der Labore flächendeckend für die registrierten Nutzer*innen auf dem digitalen Weg übermittelt werden können und die Menschen ein positives Ergebnis dann auch an den Server zurückmelden.

In den europäischen Nachbarländern ist die Situation trotz teils harter Ausgangssperren und massiver Beschränkungen des öffentlichen Lebens auch im klinischen Bereich leider schon viel dramatischer. Bremen wird auch bei dieser COVID-19-Infektionswelle seiner internationalen Solidarität gerecht werden und Patient*innen aus den Nachbarstaaten hier behandeln.

Es bedarf einer gemeinsamen, solidarischen Kraftanstrengung, um durch diese Krise zu kommen, und das hat der Beschluss aller Bundesländer mit dem Bund gezeigt. Heute ist die Stunde der gemeinsamen Verantwortung!

Die Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:

1. Die Bürgerschaft (Landtag) erkennt an, auf wie viel die Menschen in Bremen und Bremerhaven seit Beginn der Pandemie verzichten mussten, zollt ihren Anstrengungen Respekt und dankt ihnen für ihre bisherige Bereitschaft, die einschränkenden Maßnahmen mitzutragen, umzusetzen und sich dadurch auch ganz persönlich einzuschränken.
2. Die Bürgerschaft (Landtag) appelliert gleichzeitig weiter an die Einsicht, das Verständnis und die Vernunft der Menschen in Bremen und Bremerhaven, in dieser Situation nicht nachzulassen und auch die jetzt anstehenden schwierigen Schritte solidarisch zu leben. Diese gelebte Solidarität aller ist jetzt und in Zukunft existenziell wichtig.
3. Die Bürgerschaft (Landtag) spricht erneut ihren Dank und ihre Anerkennung gegenüber allen Beschäftigten der Behörden, Institutionen und Unternehmen aus, die für die Bewältigung der Corona-Krise unverzichtbar sind und mit hoher Leistungsbereitschaft Dienst für unser Gemeinwesen leisten.
4. Die Bürgerschaft (Landtag) begrüßt die Verständigung der Länder mit dem Bund auf einheitliche Maßnahmen. Sie unterstützt die in den Beratungen am 28. Oktober 2020 getroffenen Festlegungen.
5. Die Bürgerschaft (Landtag) begrüßt ausdrücklich die von der Bundesregierung in Aussicht gestellten Entschädigungen für Unternehmen, die in besonderer Weise von dem November-Lockdown betroffen sein werden.
6. Die Bürgerschaft (Landtag) erachtet es als erforderlich, dass gleichzeitig insbesondere auch diejenigen unterstützt werden müssen, die von den bisherigen Hilfsmaßnahmen nicht oder nur unzureichend erfasst werden.
7. Die Bürgerschaft (Landtag) unterstützt die Maßnahmen des Senats zur Bewältigung dieser Krise und bekräftigt ihre eigene Rolle als Gesetzgeberin und öffentliches Forum in Zeiten der Pandemiebekämpfung. Das Vertrauen der Menschen in das Handeln des Staates muss durch Transparenz erhalten und durch die von der Bevölkerung gewählten Abgeordneten, ihrer Stellvertretung in der Bürgerschaft, gestärkt werden.
8. Die Bürgerschaft (Landtag) bittet den Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuss, gemeinsam mit dem Senat zu prüfen, ob und wie das Parlament zukünftig stärker in das Regierungshandeln durch Verordnungs- und Verfügungserlass eingebunden und seine Kontrollfunktion dadurch gestärkt werden kann. Über das Ergebnis der Prüfung ist der Bürgerschaft (Landtag) zur Sitzung im Dezember 2020 zu berichten. Der Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuss wird darüber hinaus gebeten, spätestens zur Dezember-Sitzung einen Vorschlag zu erarbeiten, in welcher organisatorischen Form das Parlament fortlaufend durch den Senat über die Corona-Entwicklung zu unterrichten ist.
9. Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf, den Corona-Krisenstab des Landes Bremen weiterzuentwickeln, zu einer langfristigen Krisenorganisation aufzubauen und zu etablieren, und diese mit der Aufgabe der ressortübergreifenden Steuerung und Koordination der notwendigen Maßnahmen zu betrauen.
10. Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf, in Abstimmung mit Bund und Ländern eine langfristige Strategie zum Umgang mit dem Corona-Virus zu entwickeln. Darin sollte eine Abschätzung der Fortdauer des Infektionsrisikos, ein Konzept zum Schutz von vulnerablen Bevölkerungsgruppen, die fortlaufende Aktualisierung der Impfstrategie für das Land Bremen sowie Kontakt- und Verhaltenshinweise zum Umgang miteinander für die Zeit nach dem aktuellen Teil-Lockdown enthalten sein.
11. Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf, die zeitnahe Kontaktverfolgung durch die Gesundheitsämter auch bei schwankenden Fallzahlen kurzfristig wieder sicherzustellen. Hierzu sind alle verfügbaren personellen Ressourcen zu bündeln und darüber hinaus im Wege der befristeten Abordnung die Kapazitäten der Kontaktnachverfolgungsstellen der Gesundheitsämter kurzfristig bedarfsgerecht aufzustocken.
12. Die Bürgerschaft (Landtag) erwartet vom Senat, für die konsequente Durchsetzung der ab dem 2. November 2020 geltenden Regelungen im Sinne aller Menschen in Bremen und Bremerhaven Sorge zu tragen.

Mustafa Güngör und Fraktion der SPD
Björn Fecker und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Nelson Janßen, Sofia Leonidakis und Fraktion DIE LINKE
Thomas Röwekamp und Fraktion der CDU