Das Betäubungsmittelrecht modernisieren – Modellprojekt für die kontrollierte Abgabe von Cannabisprodukten beantragen

Die Kriminalisierung von Cannabis schadet mehr als sie nützt. Es ist höchste Zeit für eine drogenpolitische Kehrtwende. Die aktuelle Prohibitionspolitik in Deutschland hat erhebliche Nebenwirkungen.

Aufgrund des unkontrollierten Drogenmarktes kann aktuell der Verkauf und die Qualität von Cannabis nicht von unabhängigen, staatlichen Stellen geprüft werden. Der Handel der Drogen wird der (organisierten) Kriminalität überlassen. Das auf diese Weise gehandelte Cannabis ist nicht selten mit gesundheitsschädlichen, teilweise auch giftigen Zusätzen gestreckt. Durch eine staatlich kontrollierte und regulierte Abgabe von Cannabis kann die Reinheit und die Qualität des konsumierten Stoffes besser gewährleistet werden, was insgesamt zu einem weniger gesundheitsschädlichen Konsum führt.

Auch ein wirksamer Jugend- und Verbraucher*innenschutz wird durch die derzeitige Verbotspolitik verhindert. Wer Cannabis nimmt oder ausprobiert, wird sich in der Regel mit seinen Fragen und Ängsten nicht öffentlichen Stellen anvertrauen, sondern Menschen, die ebenfalls illegale Drogen konsumieren. Vor allem für Jugendliche ist deshalb die Gefahr groß, unbemerkt in eine Suchtspirale zu geraten.

Die Verbotspolitik stigmatisiert Cannabiskonsument*innen und nötigt staatlichen Behörden, die eigentlich den gewerbsmäßigen Anbau und Handel im Fokus haben, eine aufwendige Ermittlungstätigkeit ab. Rund 80 Prozent der Verfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) richten sich gegen Konsument*innen; nur ein Fünftel gegen Händler*innen. Laut einer Studie der Deutschen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (DBDD) saßen 2017 circa 13 Prozent aller Gefängnisinsassen wegen Verstoßes gegen das BtMG ein. In Bremen macht der Besitz und Erwerb von Cannabisprodukten etwa 57 Prozent aller Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz aus (Polizeiliche Kriminalstatistik 2019). Der Bund deutscher Kriminalbeamter (BDK) und einzelne Vertreter*innen der anderen Polizeigewerkschaften fordern deshalb auch aus kriminologischen Gründen eine Entkriminalisierung: Aufwand und Sinnhaftigkeit in der Verfolgung von Cannabiskonsument*innen stehen in keinem Verhältnis mehr. Die Verbotspolitik befördert vielmehr kriminelle Karrieren und ist wesentliche Voraussetzung für Milliardenumsätze der internationalen organisierten Kriminalität. Dem Fiskus entgehen durch den mit der Kriminalisierung einhergehenden Schwarzmarkt Milliardeneinnahmen.

Die aktuelle Drogenpolitik reguliert dazu in keiner Weise Angebot und Nachfrage nach Cannabisprodukten. Laut Bundesärzteblatt haben 2018 ca. 3,7 Millionen Menschen in Deutschland zwischen 18 und 64 (7,1 Prozent) mindestens einmal innerhalb der letzten 12 Monate Cannabis konsumiert. Damit ist Cannabis bei weitem die beliebteste illegale Droge Deutschlands.

International gibt es einen Trend zur Entkriminalisierung und kontrollierten Abgabe von Cannabisprodukten. In den USA setzen immer mehr Bundesstaaten auf eine legale Abgabe. In den Niederlanden hat das Parlament Erleichterungen für den Cannabisanbau beschlossen. Auch Kanada und Uruguay haben sich in den letzten Jahren für den Weg der Legalisierung entschieden. Diese begrüßenswerten Initiativen sind getragen von dem Ziel, die Gesundheit der Menschen zu verbessern und die gesellschaftlich schädliche Cannabiskriminalisierung zu beenden.

Vor diesem Hintergrund verfolgt das Land Bremen die Politik, sich auf Bundesebene für eine Evaluation und Reform der Drogenpolitik einzusetzen und auf Landesebene alle Möglichkeiten für eine liberalere Handhabung des Cannabiskonsums durch Erwachsene auszuschöpfen. Die Priorität liegt dabei auf konsequentem Jugendschutz und wirksamer Prävention. Als jüngste Maßnahme in diesem Zusammenhang hatte die Senatorin für Justiz und Verfassung mit Wirkung zum 1. April 2020 verbindliche Vorgaben für Polizei und Staatsanwaltschaft zum strafrechtlichen Umgang mit geringen Cannabis-Mengen zum Eigenverbrauch erlassen. Künftig kann bei einer Menge von bis zu 15 Gramm Marihuana oder Haschisch von Strafverfolgung abgesehen werden. Statt Strafverfolgung hat die Polizei die Betroffenen nun auf Angebote der Suchthilfe hinzuweisen. Ist die betroffene Person einverstanden, stellt die Polizei den Kontakt zu einem Beratungs- oder Interventionsangebot her.

Ein wichtiger Baustein dieser modernen Drogenpolitik ist das Vorhaben, in Bremen ein wissenschaftliches Modellprojekt zur kontrollierten Abgabe von Cannabis auf den Weg zu bringen. Eine dazu am 26. Februar 2016 durchgeführte Sachverständigenanhörung der Deputation für Gesundheit und Verbraucherschutz machte jedoch deutlich, dass die bundesrechtlichen Rahmenbedingungen für solche Modellprojekte ungenügend sind. Insbesondere ist es nach geltender Rechtslage wohl nicht möglich, eine kontrollierte Abgabemöglichkeit für alle Verbraucherinnen und Verbraucher eine Stadt oder Region zu schaffen. Denkbar wäre allenfalls ein Modellprojekt in Form einer wissenschaftlichen Studie mit einem eng umgrenzten Kreis von Teilnehmenden. Damit könnte aber ein ganz wesentlicher Aspekt nicht untersucht werden, nämlich die Auswirkungen einer legalen Abgabemöglichkeit auf den Cannabis-Schwarzmarkt und die damit verbundenen Effekte insbesondere für die Kriminalitätslage, die Belastung von Polizei und Justiz, den Gesundheits- und Verbraucherschutz, den Wirkstoffgehalt sowie das allgemeine Konsumverhalten in der Gesellschaft. Vor diesem Hintergrund starteten die Länder Bremen und Thüringen im Sommer 2017 eine gemeinsame Bundesratsinitiative mit dem Ziel, im Betäubungsmittelgesetz eine bessere Rechtsgrundlage für Versuchsprojekte mit kontrollierter Abgabe von Cannabis zu verankern. Dieser Antrag fand im Plenum des Bundesrats am 7. Juli 2017 leider keine Mehrheit.

Wenngleich nicht im wünschenswerten Umfang, kann jedoch trotz der widrigen Umstände auch unter den bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen ein wissenschaftliches Modellprojekt gewisse wertvolle Erkenntnisse liefern. Das Land Berlin hat daher am 26. November 2019 einen entsprechenden Antrag zur Durchführung eines Modellprojekts bei dem für die Genehmigung zuständigen Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gestellt. Im Mittelpunkt des Berliner Modellprojekts steht die Frage, ob und in welchem Umfang Konsumrisiken durch einen kontrollierten Verkauf von qualitätsgeprüften Cannabisprodukten reduziert werden können. Zu diesem Zwecke sieht das beabsichtigte Modellprojekt vor, dass rund 350 erwachsene Personen mit Hauptwohnsitz in Berlin wöchentlich bis zu 15 Gramm Cannabis über einen Zeitraum von zwölf Monaten erhalten können. Dabei sollen von den Projektteilnehmenden fünf verschiedene Sorten von Cannabisblüten in 15 bis 20 Berliner Apotheken erworben werden können. Das BfArM lehnte den Berliner Antrag am 11. März 2020 erwartungsgemäß ab. Das Land Berlin hatte zuvor bereits angekündigt, gegen die Ablehnung des BfArM Rechtsmittel einlegen zu wollen.

Die Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:

Der Senat wird aufgefordert,

  1. zu prüfen, ob das Anliegen, wissenschaftliche Modellprojekte zur kontrollierten Abgabe von Cannabis in Deutschland zu ermöglichen, unterstützt werden kann, indem parallel zu den Berliner Bemühungen das Land Bremen ein eigenes Modellprojekt beantragt, und gegebenenfalls ein hierfür geeignetes Konzept zu erarbeiten, bei dem  der Jugend- und Verbraucherschutz im Zentrum stehen soll;
  2. auf Bundesebene die Anstrengungen für eine wissenschaftliche Evaluation des Betäubungsmittelrechts zu intensivieren, die eine grundlegende Reform des Drogenstrafrechts erwirken soll, die auf Jugend- und Verbraucherschutz statt auf Strafverfolgung setzt;
  3. der Bürgerschaft (Landtag) über die unternommenen Schritte bis zum Jahresende 2020 zu berichten.

Olaf Zimmer, Nelson Janßen, Sofia Leonidakis und Fraktion DIE LINKE
Ilona Osterkamp-Weber, Björn Fecker und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Ute Reimers-Bruns, Mustafa Güngör und Fraktion der SPD