Anerkennung einer Berufskrankheit durch SARS-CoV-2 für weitere Berufsgruppen

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In der aktuellen Liste für gesetzlich anerkannte Berufskrankheiten (BK) wird unter der BK-Nr. 3101 „Infektionskrankheiten“ aufgeführt. Dies schließt eine Erkrankung durch COVID-19 ein. Laut Auskunft der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e.V. (DGUV) wurden bis zum 11. September 2020 18.951 Berufskrankheiten im Zusammenhang mit COVID-19 bei den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung angezeigt und davon 8.171 anerkannt, was einer Anerkennungsquote von 43 Prozent entspricht. Die gesetzliche Anerkennung gelte allerdings nicht uneingeschränkt, sondern ist auf bestimmte Berufs- und Tätigkeitsfelder, insbesondere im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege und in Laboratorien, beschränkt, da hier die Versicherten infolge ihrer Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit einer gegenüber der allgemeinen Bevölkerung wesentlich erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt sind. Die Berufskrankheit könne aber auch für andere Tätigkeiten gelten, wenn „eine vergleichbare Infektionsgefahr“ besteht. Entsprechende Daten über Berufsgruppen außerhalb des Gesundheitsdienstes – etwa, wie zuletzt gefordert, für Beschäftigte in Kitas, Supermärkten oder von Lieferdiensten – liegen bisher nicht vor, müssen erst noch erfasst werden. Es sollte darum grundsätzlich die Möglichkeit eingeräumt werden, dass für Beschäftigte, die sich aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit infiziert haben und eine darauf zurückzuführende Erkrankung oder Spätfolgen durch COVID-19 erleiden, eine Berufskrankheit BK 3101 anerkannt werden kann.

Die Anerkennung von Berufskrankheiten wird von einem beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales angesiedelten unabhängigen Beratungsgremium, dem Ärztlichen Sachverständigenbeirat "Berufskrankheiten" durchgeführt. Dieser Beirat prüft die wissenschaftlichen Voraussetzungen für neue Berufskrankheiten.

Infektionsausbrüche in Versandzentren, in Schlachthöfen oder in der Landwirtschaft zeigen, dass die Einschränkung des Unfallversicherungsschutzes auf den Gesundheits- und Wohlfahrtspflegebereich zu kurz gedacht ist. Die Möglichkeit einer Anerkennung von Infektionen mit SARS-CoV-2 als BK 3101 ist konsequent, eine Beschränkung auf bestimmte Berufsgruppen jedoch problematisch. Es ist erforderlich, das Berufstätigkeitsspektrum der BK 3101 aufgrund von SARS-CoV-2 zu erweitern, um den erhöhten Infektionsrisiken von Beschäftigten u.a. in Kitas, Supermärkten oder von Lieferdiensten gerecht zu werden. Maßgeblich ist das beruflich bedingt höhere Infektionsrisiko als im allgemeinen Leben, vor allem, wenn Schutzmaßnahmen nicht ausreichen oder nicht beachtet werden.

Die Unfallversicherungsträger haben den gesetzlichen Auftrag, mit allen geeigneten Mitteln Prävention zu betreiben. Laut Auffassung der Bundesregierung reicht für die Meldung einer Berufskrankheit ein subjektiv empfundener Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit aus, und so bietet jede Anzeige einer möglichen Berufskrankheit Chancen für die Prävention. Eine systematische Erfassung, sorgfältige Prüfung und Auswertung aller von Beschäftigten angezeigten Erkrankungen aufgrund von SARS-CoV-2 auch aus Bereichen außerhalb von Gesundheitswesen und Wohlfahrtspflege bietet Grundlagen für Erkenntnisgewinn zum Schutz vor der Infektion und dient als wissenschaftliche Datenbasis im Anerkennungsverfahren.

Die Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:

Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf,

  1. sich auf Bundesebene für eine Ausweitung der BK 3101 „Infektionskrankheiten“ auf Tätigkeiten über die Bereiche des Gesundheitswesens und der Wohlfahrtspflege hinaus einzusetzen und auf eine öffentliche Klarstellung hinzuwirken;
  2. sich dafür einzusetzen, dass die Unfallversicherungsträger die bei ihnen versicherten Beschäftigten über die Möglichkeit der Abklärung informieren und zur Anzeige von Verdachtsfällen auffordern;
  3. darauf hinzuwirken, dass die Unfallversicherungsträger auch Anzeigen auf Verdacht einer Berufskrankheit infolge von SARS-CoV-2 bei Beschäftigten aus Bereichen außerhalb von Gesundheitswesen und Wohlfahrtspflege akzeptieren und prüfen;
  4. sich dafür einzusetzen, dass die Träger der Gesetzlichen Unfallversicherung alle angezeigten Fälle der BK 3101 durch SARS-CoV-2 erfassen, überprüfen, und die entsprechenden Entscheidungen in der jährlichen Statistik der DGUV veröffentlichen;
  5. sich dafür einzusetzen, dass bei Vermutung eines beruflichen Zusammenhangs auch Infektionen durch SARS-CoV-2 ohne akute Symptome oder schweren Verlauf dokumentiert werden, damit im Fall von Komplikationen oder Spätfolgen die erforderlichen Nachweise zur beruflichen Verursachung vorliegen;
  6. darauf hinzuwirken, dass die Bundesregierung über das beruflich verursachte Infektionsgeschehen öffentlich Bericht erstattet, beispielsweise im Bericht zu Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit;
  7. sich dafür einzusetzen, dass die im Land Bremen angezeigten Fälle der BK 3101 aufgrund von SARS-CoV-2 unverzüglich und unabhängig von der Entscheidung des zuständigen Unfallversicherungsträgers der für den Arbeitsschutz zuständigen Stelle zugeleitet werden;
  8. den staatlichen Deputationen für Gesundheit und Verbraucherschutz und für Wirtschaft und Arbeit ist spätestens ein Jahr nach Beschlussfassung über die Aktivitäten des Senats zu berichten.

Jörg Zager, Ute Reimers-Bruns, Jasmina Heritani, Mustafa Güngör und Fraktion der SPD
Nelson Janßen, Ingo Tebje, Sofia Leonidakis und Fraktion DIE LINKE
Ilona Osterkamp-Weber, Björn Fecker und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN