"Begleitetes Trinken“ abschaffen – Jugendliche besser schützen

Alkohol ist schädlich für den Körper und für das Gehirn. Insbesondere für Kinder und Jugendliche, deren Gehirn sich in der Entwicklung befindet, stellt er eine große Gefahr dar. Bereits geringe Mengen können zu einer erhöhten Risikobereitschaft, Enthemmtheit und häufig auch zu aggressivem Verhalten führen. Darüber hinaus kann Alkoholkonsum zu zahlreichen Folgeerkrankungen führen und erhöht das Krebsrisiko. Dem Alkoholatlas 2022 zufolge lassen sich etwa 20.000 Krebsneuerkrankungen auf Alkoholkonsum zurückführen. Es ist bereits seit Ende der 1990er Jahre bekannt, dass die Gefahr im Lebensverlauf eine Alkoholsucht zu entwickeln, bei Jugendlichen vier Mal höher ist, wenn sie vor dem 15. Lebensjahr regelmäßig Alkohol konsumiert haben. Das belegte eine Studie des US-amerikanischen National Institute on Alcohol Abuse and Alcoholism.

Dennoch existiert in Deutschland bis heute eine völlig aus der Zeit gefallene Regelung: Das Jugendschutzgesetz (JuSchG) erlaubt Gaststätten und Verkaufsstellen, Jugendlichen bereits ab 14 Jahren Bier und Wein im Beisein einer sorgeberechtigten Person (§ 9 Absatz 2 JuSchG) auszuschenken oder ihnen den Konsum zu gestatten. Diese Ausnahmeregelung steht in keinem Verhältnis zu den gesundheitlichen Risiken, die mit dem Konsum von Alkohol gerade in jungen Jahren einhergehen. Alkoholkonsum ist für Jugendliche nicht weniger schädlich, wenn Erziehungsberechtige anwesend sind. Vielmehr verharmlost die derzeitige Regelung die Gefahren von Alkohol. Befragungen zeigen auch, dass die Bevölkerung in Deutschland längst bereit für eine schärfere Rechtslage ist: Eine Umfrage der Stabstelle Krebsprävention des Deutschen Krebsforschungszentrums aus 2022 ergab sogar, dass die Mehrheit der Befragten eine Anhebung des Mindestalters für den Erwerb und den Konsum von Alkohol auf 18 Jahre befürwortet.

Laut der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V. findet der erste Alkoholkonsum in Deutschland im Durchschnitt mit 13,8 Jahren statt. Der europäische Vergleich unterstreicht, dass gerade in Deutschland Handlungsbedarf besteht: Laut einer Studie von HBSC (Health Behaviour and School-Aged Children) und WHO (Weltgesundheitsorganisation) von 2022 liegt der Anteil der 15-Jährigen in Deutschland, die in den letzten 30 Tagen Alkohol konsumiert haben, mit 56 Prozent bei Mädchen und 54 Prozent bei Jungen auf Platz drei unter denEU-Staaten (EU-Durchschnitt Mädchen 38 Prozent, Jungen 36 Prozent).

Auf der Gesundheitsminister:innenkonferenz (GMK) im Juni 2024 wurde auf Antrag Mecklenburg-Vorpommerns einstimmig beschlossen, dass das sogenannte „Begleitete Trinken“ für Jugendliche ab 14 Jahren abgeschafft werden soll. Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat sich wiederholt für die Abschaffung des begleiteten Trinkens für 14- bis 16-Jährige ausgesprochen. Derzeit werden gesetzliche sowie versorgungs- und rechtspolitische Maßnahmen zur Prävention des Konsums von Alkohol bei Jugendlichen geprüft. Die AG Suchthilfe der Arbeitsgemeinschaften der Obersten Landesgesundheitsbehörden (AOLG) hat bereits in Anbetracht der gravierenden gesundheitlichen Folgen frühzeitigen Alkoholkonsums die Abschaffung des sogenannten „Begleiteten Trinkens“ nach § 9 Absatz 2 JuSchG als sinnvolle verhältnispräventive Maßnahme befürwortet.

Das Abschaffen des „Begleiteten Trinkens“ ist selbstverständlich nicht ausreichend, um Jugendliche vom Alkohol fernzuhalten und der Normalisierung und Verharmlosung von Alkoholkonsum in Deutschland entgegenzuwirken. Aber es ist eine notwendige Gesetzesanpassung, um Jugendliche zu schützen und die Präventionsangebote und Sensibilisierungsarbeit insbesondere bei Jugendlichen nicht durch eine antiquierte und aus heutiger Sicht falsche Ausnahme im Jugendschutz zu konterkarieren.

Die Abschaffung des begleiteten Trinkens unter 16 Jahren ist darum im Sinne des Jugendschutzes überfällig und aus gesundheitspolitischer Sicht notwendig, um möglichst frühzeitig für die Gefahren von Alkohol zu sensibilisieren. Dabei geht es nicht zuletzt um ein Signal an Eltern: Es ist auch ihre Aufgabe, Jugendliche so lange wie möglich von Alkohol fernzuhalten.

Die Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:
Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf,
1. eine Bundesratsinitiative zu ergreifen, möglichst gemeinsam mit anderen Ländern, mit dem Ziel der Streichung von § 9 Absatz 2 des Jugendschutzgesetzes, um die Abgabe von Alkohol an unter 16-Jährige auch in Begleitung sorgeberechtigter Personen zu untersagen;
2. der staatlichen Deputation für Gesundheit, Pflege und Verbraucherschutz sowie der staatlichen Deputation für Soziales, Jugend und Integration ein Jahr nach Beschlussfassung zu berichten. 

Ute Reimers-Bruns, Selin Arpaz, Mustafa Güngör und Fraktion der SPD
Ralph Saxe, Sahhanim Görgü-Philipp, Dr. Henrike Müller und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Nelson Janßen, Sofia Leonidakis und Fraktion DIE LINKE