Pflegeeltern als unverzichtbare Partner:innen der Jugendhilfe wertschätzen und stärken: Elterngeld einführen, Altersvorsorge verbessern und Bremen-Pass erweitern

Dringlichkeitsantrag der Fraktionen der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE: Die Pflegekinderhilfe in Deutschland ist getragen von einem hohen ehrenamtlichen zivilgesellschaftlichen Engagement von Familien und bildet eine wesentliche Säule der Kinder- und Jugendhilfe.

Die Pflegekinderhilfe in Deutschland ist getragen von einem hohen ehrenamtlichen zivilgesellschaftlichen Engagement von Familien und bildet eine wesentliche Säule der Kinder- und Jugendhilfe. Pflegefamilien bieten Kindern, die aus unterschiedlichen Gründen nicht bei ihren leiblichen Eltern leben können, im Auftrag der öffentlichen Jugendhilfe in ihrer Familie dauerhaft oder vorübergehend einen Ort, um in Wohlergehen aufwachsen zu können. Gerade für Babys und junge Kinder ist eine Unterbringung bei Pflegeeltern fast immer einer Unterbringung in einer stationären Jugendeinrichtung vorzuziehen, da Pflegeeltern einen familiären Rahmen, stabile Strukturen, Zuwendung und Geborgenheit bieten, die oftmals in stationären Einrichtungen schwieriger umzusetzen sind.

Gegenwärtig steht der bundesweite Trend einer Zunahme von Kindern, die vom Jugendamt außerhalb ihrer Ursprungsfamilie untergebracht werden müssen, dem ebenfalls bundesweiten Trend einer abnehmenden Zahl von Pflegefamilien gegenüber – auch im Land Bremen. Die hier für die Gewinnung und Betreuung von Pflegefamilien zuständige Fachstelle PiB (Pflegekinder in Bremen) weist darauf hin, dass sich der Pool von Familien, die bereit sind, ein Pflegekind aufzunehmen, in den vergangenen Jahren halbiert hat und die Gewinnung neuer Pflegeeltern immer schwieriger wird. In der Konsequenz wird es zunehmend schwieriger, für alle Kinder, die im familiären Kontext untergebracht werden sollen, eine Pflegefamilie zu finden.

Ein wesentlicher Grund für das abnehmende Interesse, Pflegeeltern zu werden, sind die mit der Aufgabe verbundenen finanziellen Risiken und Auswirkungen, insbesondere zu Beginn der Pflegeelternschaft. Pflegeeltern erhalten zwar ein monatliches Pflegegeld, das unter anderem für Kosten für Verpflegung, Unterkunft, Bekleidung sowie für den Erziehungsaufwand aufkommen soll. Hinzu kommen einmalige Leistungen bei der Aufnahme eines Pflegekindes zur Erstausstattung mit Bekleidung oder der Wohnung sowie steuerfreie Zuschüsse zur Altersvorsorge und Unfallversicherung der Pflegeeltern. Eine konkrete Benachteiligung gegenüber anderen Familien besteht aber darin, dass Pflegeeltern gegenwärtig zwar Anspruch auf Elternzeit, aber keinen Anspruch auf die gesetzlichen Elterngeldregelungen haben und der Pauschalbetrag für die Kosten der Erziehung mit derzeit monatlich 275 Euro deutlich unter dem Mindest- und Höchstsatz von 300 Euro bzw. 1.800 Euro im Elterngeld liegt. Und dies, obwohl Pflegeeltern für die Sorgen um ihr Pflegekind ebenso viel Zeit, Kraft und Ressourcen benötigen, sodass das Engagement der Pflegeeltern in der Frühphase der Familiengründung oft mit deutlich weniger Erwerbsarbeit und damit mit Einkommensverlusten einhergeht. Zwar hat die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, auch Pflegeeltern zukünftig Elterngeld zu bezahlen, eine Umsetzung ist bisher aber nicht absehbar. Gleichzeitig haben einzelne Kommunen in Deutschland begonnen, Pflegeeltern eine elterngeldähnliche Sonderleistung zu zahlen. Übergangsweise soll daher auch das Land Bremen Pflegeeltern ein Elterngeld zahlen. Darüber hinaus gilt es, Pflegefamilien auf unterschiedlichen Ebenen weiter zu stärken. Vor allem die Altersvorsorge für Pflegeeltern, insbesondere im Bereich der Bereitschaftspflege, muss strukturell verbessert werden. Die Erwartung, dass ein Pflegeelternteil (meist die Mutter) ganz oder teilweise auf die eigene Berufstätigkeit verzichtet, muss mit einer angemessenen Altersabsicherung einhergehen, systemimmanente Altersarmutsrisiken müssen verringert werden. Zudem sollen Pflegekinder zukünftig auch Anspruch auf den Bremen-Pass haben, der Ermäßigungen im Bereich Freizeit, Kultur und Bildung beinhaltet. Das entlastet die Pflegefamilien und kommt am Ende auch den Pflegekindern zugute.

Mit diesen Maßnahmen wollen wir die bedeutsame zivilgesellschaftliche Leistung von Pflegefamilien besser unterstützen und wertschätzen sowie attraktivere Rahmenbedingungen für die Aufnahme von Pflegekindern schaffen, die diesem Engagement Rechnung tragen. Mit der Aufwertung der Pflegekinderaufnahme wollen wir weiterhin das erheblich durch die Zunahme von Fremdplatzierungen beanspruchte Jugendhilfesystem entlasten und damit zugleich die durch den Fachkräftemangel angespannte Situation in den Einrichtungen der Fachdienste und der Jugendhilfe entzerren, indem dort Plätze und Personal frei werden.

Die Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:

Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf,

sich auf Bundesebene dafür einzusetzen,

1. dass Pflegeeltern nach der Aufnahme eines Pflegekinds in ihre Familie, Anspruch auf das Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) bekommen;

2. dass die Altersvorsorgeleistungen für Pflegeeltern in der Pflegekinderhilfe, insbesondere im Bereich der Bereitschaftspflege, dahingehend verbessert werden, dass sie besser vor Altersarmut schützen;

im Land Bremen

3. zur Überbrückung der gesetzlichen Lücke im BEEG ein zeitlich befristetes Modellprojekt und eine entsprechende Finanzierung zu prüfen, in dem – ähnlich den elterngeldähnlichen Leistungen für Pflegeeltern in niedersächsischen Kommunen – eine elterngeldähnliche Sonderleistung als freiwillige Leistung für Pflegeeltern bei Aufnahme eines Kindes in Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII erprobt wird;

4. zu prüfen wie der Kreis der Anspruchsberechtigten des Bremen-Passes auf Pflegekinder in Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII erweitert werden kann, um Pflegefamilien somit über Ermäßigungen im Bereich Freizeit, Bildung und Kultur eine finanzielle Entlastung und Wertschätzung zukommen zu lassen;

5. der staatlichen Deputation für Soziales, Jugend und Integration sechs Monate nach Beschlussfassung über das Ergebnis der Prüfungen zu berichten.

Katharina Kähler, Mustafa Güngör und Fraktion der SPD
Dr. Henrike Müller und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Dariush Hassanpour, Miriam Strunge, Nelson Janßen, Sofia Leonidakis und Fraktion DIE LINKE